Computer- und Informatik-Unterricht in der Schule

Im Jahr 1995 (!) hat die Kultusministerkonferenz (KMK) folgende gemeinsame Erklärung abgegeben:

"Medien nehmen heute eine zentrale Stellung in der privaten und beruflichen Lebenswelt sowie in der öffentlichen Meinungsbildung ein und beeinflussen, prägen und strukturieren nachhaltig die Erfahrungen eines jeden einzelnen - vor allem aber der Kinder und Jugendlichen."

Leider gibt es nur wenige konkrete Vorgaben wie "Medien" in der Bildung zu berücksichtigen sind. Im Prinzip ist nirgendwo so richtig festgelegt, wie Medienbildung und die damit verbundene Informatik an Schulen vermittelt werden soll. Nur in 3 von 16 Bundesländern ist Informatik in der Mittelstufe als Pflichtfach vorgesehen (Stand 2014).

Schaut man sich in den Lehrplänen aller Bundesländer um, dann spielt hier Informatik eine eher untergeordnete Rolle. Dabei spielt der Umgang mit Computern und Maschinen, sowie deren Einbindung in die Arbeitsprozesse in fast jedem Beruf eine große Rolle. Das zeigt sich schon daran, dass man ohne umfassende PC-Kenntnisse keine Chance hat einen Arbeitsplatz zu bekommen. Selbst dort, wo der PC nicht das primäre Arbeitsmittel ist, sind zumindest grundlegende Kenntnisse gefragt. Dabei geht es gar nicht so sehr darum zu wissen, wie Computer und Netzwerke im Detail funktionieren. Es geht darum, ein Verständnis über die Funktionsweise derer zu bekommen. Denn ohne Computer- oder Technik-Unterstützung lassen sich viele berufliche Tätigkeiten in unserer arbeitsteiligen Welt gar nicht mehr effizient realisieren. Und selbst wer heute in der Gesellschaft aktiv teilnehmen möchte kommt ohne die Anwendung moderner Kommunikationsmittel gar nicht mehr herum.

Obwohl der Umgang mit "neuen Medien" allgemein als wichtig erachtet wird, ist in den Schulen ein Fach wie Informatik den Fächern Biologie, Chemie und Physik nicht gleichgestellt. Die Gründe sind vielfältig. Das fängt bei den Vorbehalten der Eltern und Lehrern an und reicht bis zur Ignoranz bei verantwortlichen Politikern.
Als Hilfsmittel wird der Computer gerade noch so akzeptiert. Wenn es aber darum geht, den Computer als Objekt der Lehre zu machen, wird immer nur dagegen argumentiert.
Es gibt eine sehr starke Lobby für Naturwissenschaften. Niemand verzichtet gerne auf die bisherigen Inhalte, nur weil es etwas Neues gibt. Lehrer und Entscheidungsträger haben ihre Schullaufbahn ohne Informatik durchlaufen. Es fehlt die Vorstellung, warum Informatik wichtig sein könnte.

Geht man mehr als 100 Jahre in der schulischen Bildung zurück, dann kämpften damals die Naturwissenschaften um den Einzug in die allgemeinbildenden Schulen und mussten sich gegen traditionelle Fächer durchsetzen. Zum Beispiel Lesen und Schreiben. Inzwischen werden die Grundfertigkeiten, wie Lesen, Schreiben und Rechnen meist fächerübergreifend gelehrt. Es gibt zwar noch Sprachen und Mathematik. Aber Lesen, Schreiben und Rechnen muss man in den naturwissenschaftlichen Fächern genauso. Der Informatik wird es vermutlich ähnlich ergehen.

Geschichtlich gesehen waren die Naturwissenschaften die Geburtshelfer der industriellen Revolution. Hier war das Verständnis von Biologie, Chemie und Physik äußerst hilfreich, um die anfallenden Arbeiten qualitativ gut erledigen zu können.
Für unsere heutige Technik bilden die Naturwissenschaften die Grundlage. Vieles basiert auf der Grundlagen, die in Chemie, Physik und Mathematik gelehrt werden. Doch der Kern ist die Informatik, die Verarbeitung von Informationen. Das ist das, was heute in der Hauptsache "getan" wird und muss deshalb auch in der schulischen Bildung eine entsprechende Rolle spielen.

Was gegen Informatik als Pflichtfach spricht

Geräte und Anwendungen funktionieren doch auch ohne technische Kenntnisse. Ja, aber: Gerade weil sich Hardware und Software wie eine Black Box verhalten, ist es um so wichtiger mit dem Aufbau und der Funktionsweise vertraut zu sein. Wer aktuelle Techniken aktiv nutzen und vielleicht sogar mitgestalten will, der braucht schon etwas mehr Verständnis wie Computer funktionieren.
Informatik hilft auch beim Lösen von Problemen, die außerhalb der Informatik liegen. Überall da, wo formale Abläufe und regelbasierte Systeme vorhanden sind tut sich derjenige leichter, der sich mit Informatik beschäftigt hat. Beispielsweise bei Koch- und Backrezepten oder der Aufgabenteilung in Arbeitsprozessen. Neben den Grundfertigkeiten Lesen, Schreiben und Rechnen ist immer öfter so etwas wie Prozessverständnis gefragt. Die Methoden und Werkzeuge der Informatik sind dabei gute Übungsfelder.

Hardware und Software müssen häufig erneuert werden. Ja, aber: Wer unter Informatik-Unterricht das unterrichten von Word, Excel, Powerpoint und anderer Software versteht, der hat Informatik falsch verstanden. Produktwissen, insbesondere bei aktueller Software, ist zwar kurzfristig nützlich, hat aber längerfristig keine Relevanz. Es ist der falsche Weg, wenn die Bedienung von Software in der Schule geschult wird. Viel wichtiger wäre es zu lernen wie die Technik funktioniert und welche Prinzipien dahinterstehen.
Inzwischen ist die Technik so weit, dass nicht jedes Jahr eine Technik-Revolution ausgelöst wird. Als Informatik-Lehrer muss man inzwischen nicht mehr ständig etwas Neues dazulernen. Die mathematischen Grundlagen in der Informatik und die technischen Prinzipien von Computern haben sich seit einigen Jahren kaum verändert.

Das Lernen wird mit digitalen Medien nicht besser. Ja, aber: Lernen hatte noch nie etwas mit seinen Hilfsmitteln, wie Medien und Lernprogrammen zu tun. Lernen ist eine Leistung der Schüler, für die manchmal mehr, manchmal weniger Anstrengung erforderlich ist. Mithilfe digitaler oder neuer Medien kann man vieles leichter organisieren und es macht vielleicht auch mehr Spaß. Aber DAS LERNEN muss der Schüler immer noch selber machen. Und das bedeutet Arbeit. Für den Lehrer und für die Schüler. Lehrer sollten den Lehrinhalt vom Hilfsmittel getrennt halten und unabhängig machen. Wenn der Lehrer "Medien" zur Verfügung hat, dann ist das gut und kann den Lernalltag für die Beteiligten vereinfachen und auflockern. Aber, es sollte auch ohne gehen.

Informatik-Unterricht geht auch ohne Computer

Auf den ersten Blick scheint das nicht so viel Sinn zu ergeben, im Informatik-Unterricht auf Computer zu verzichten. Dazu muss man sagen, dass die Einführung in die Informatik und Computertechnik vollständig ohne Computer erfolgen kann. Das riecht dann schon wieder stark nach Frontalunterricht und auswendig lernen. Doch gerade, wenn immer mehr Kinder und Jugendliche ein Smartphone und Tablet haben, ist ein computerloser Informatik-Unterricht interessant. Vor allem dann, wenn die grundlegenden Konzepte in der Informatik im Vordergrund stehen. Ein weiterer Vorteil ist, dass insbesondere Jungen mit ihren zu Hause rudimentär erworbenen Computerkenntnissen sich nicht in den Vordergrund spielen können.