Echter Differenzverstärker II


Einleitung

Dieser Elektronik-Minikurs setzt die Kenntnisse von Echter Differenzverstärker I voraus, der sich mit den Vorteilen des hohen Eingswiderstandes am invertierenden und nichtinvertierenden Eingang des echten Differenzverstärkers (Instrumentationsverstärker) gegenüber dem einfachen Differenzverstärker mit nur einem Operationsverstärker auseinandersetzt. Thematisiert wird dort auch die Gleichtaktunterdrückung und seine Dimensionierung, die am einfachen Differenzverstärker (der dritte Operationsverstärker) innerhalb des Instrumentationsverstärkers vorgenommen wird. Ein allenfalls wünschenswerter Abgleich der DC-Offsetspannung wird ebenfalls am selben Anschluss, der oft als REF-SENSE bezeichnet wird, vorgenommen.

An diesem Punkt setzt dieser Elektronik-Minikurs an. Das Hauptthema ist die Referenzierung der Spannungsquelle am Eingang des Instrumentationsverstärkers und die Referenzierung am REF-SENSE-Anschluss. Zum Abschluss wird gezeigt, dass unter gewissen Einschränkungen mit wenig Mitteln ein automatischer DC-Offsetabgleich am REF-SENSE-Anschluss realisierbar ist.

Für diesen REF-SENSE-Anschluss gibt es auch andere Bezeichnungen in den Datenblättern von Instrumentationsverstärkern, wie z.B. CMRR-PRESET oder CMRR-TRIM. Diese beiden Abkürzungen bedeuten soviel wie (Vor-)Einstellung und Abgleich des Verhältnisses der Differenz- zur Gleichtaktausgangsspannung, die in der Regel mit Dezibel (dB) angegeben wird. CMRR heisst Common-Mode-Rejection-Ratio. Man wird im Laufe dieses Elektronik-Minikurses schnell erkennen, womit man es mit diesem Anschluss zu tun hat.



Referenzierung der differenziellen Eingangsspannung

Es sei an dieser Stelle nochmals wiederholt, dass die korrekte Bezeichnung für den echten Differenzverstärker Instrumentationsverstärker lautet. Weshalb ich zwischen echt und unecht unterscheide, liest man in Echter Differenzverstärker I. Wir betrachten jetzt Bild 1:

Die Schaltung in Teilbild 1.1 ist im Wesentlichen die in Bild 4 aus Echter Differenzverstärker I. IC:A1 arbeitet nichtinvertierend und auf seinen Ausgang folgt die invertierende Verstärkung des IC:A3. Die Multiplikation von nichtinvertierend mit invertierend ergibt das Resultat invertierend. Darum ist der Eingang invertierend mit dem Minus-Symbol gekennzeichnet. IC:A2 arbeitet ebenfalls nichtinvertierend und auf seinen Ausgang folgt die nichtinvertierende Verstärkung des IC:A3. Die Multiplikation von nichtinvertierend mit nichtinvertierend ergibt das Resultat nichtinvertierend. Darum ist der Eingang ebenfalls nichtinvertierend mit dem Plus-Symbol gekennzeichnet. Die Methode, dass IC:A1 und IC:A2 nichtinvertierend verstärken, macht es erst möglich, dass beide Eingänge des Instrumentationsverstärkers gleichermassen hochohmig sind! Unterhalb der Schaltung sieht man mit Teilbild 1.3 die Berechnungformel mit dem Zahlenbeispiel der gegebenen Eingangsspannungen von Ue1 und Ue2 von je 1 VDC.

Weitere Details sind die beiden in Serie geschalteten Gleichpannungsquellen Ue1 und Ue2. Der Mittelpunkt beider Spannungsquellen ist mit GND referenziert, und das ist in der Regel die Nullspannung zwischen der positiven und der negativen Betriebsspannung, z.B. ± 12 VDC. Nebenbei, Ue1 und Ue2 müssen nicht wie dieses Beispiel mit +1 V und -1 V zeigt, symmetrisch sein, Ue1 und Ue2 dürfen auch unterschiedliche Spannungswerte haben. Es besteht ebenso auch kein Zwang, dass die Betriebsspannung symmetrisch ist, solange die Bedingung der ein- und ausgangsseitigen Nichtübersteuerung des Instrumentationsverstärkers erfüllt ist.

Da der Instrumentationsverstärker die Summe beider Spannungsquellen Ue1 und Ue2 misst und verstärkt, können wir die Eingangsspannung zwischen den beiden Eingängen des Instrumentationsverstärkers auch als Ue betrachten, wobei die Referenzierung mit GND über zwei gleich grosse spannungsteilende Widerstände erfolgt, wie Teilbild 1.2 illustriert. Dies ist auch, sehr vereinfacht, die Situation wenn man mit einem Instrumentationsverstärker elektomyographische Signale (EMG) misst. Ich erinnere an Bild 8 im Elektronik-Minikurs Echter Differenzverstärker I. Die grössere Hautkontaktelektrode ist mit GND referenziert und die beiden andern kleineren Elektroden sind an den Muskel geklebt, dessen EMG-Signale man misst. Diese beiden Messelektroden sind mit den sehr hochohmigen Eingängen des Instrumentationsverstärker verbunden.

Ue mit einer Spannung von 2 VDC soll zum Ausdruck bringen, dass diese Ue1 und Ue2 als eine einzige Spannungsquelle ersetzt. Dies allerdings ohne den symmetrischen Anschluss, weshalb es dazu die beiden nach GND orientierten Widerstände braucht. Die beiden Teilspannungen Ue1 und Ue2 dürfen auch ungleich, also das Ganze eine asymmetrische Spannungsquelle, sein. Es spielt auch keine Rolle ob die Referenz exakt symmetrisch zu Ue1 und Ue2 liegt oder nicht, verstärkt wird immer nur die differenzielle Spannung zwischen dem invertierenden und nichtinvertierenden Eingang des Instrumentationsverstärkers. Es muss lediglich darauf geachtet werden, dass die Spannung an keinem der Eingänge grösser werden darf als die positive oder negative Betriebsspannung. Wenn man moderne Input-Rail-to-Rail-Operationsverstärker bzw. Input-Rail-to-Rail-Instrumentationsverstärker einsetzt, darf die Betriebssspannung knapp erreicht werden. Wenn nicht, müssen die maximalen Eingangsspannungswerte niedriger gehalten werden.

Eine Asymmetrie der beiden Widerstandswerte bleibt ebenso ohne Einfluss auf die Verstärkung der differenziellen Eingangsspannung. Allerdings verschlechtert sich bei einer Asymmetrie die Gleichtaktunterdrückung, z.B bei drahtloser Einkopplung von AC-Spannungsfeldern, wie z.B. 50Hz-Brummspannung, weil unterschiedliche Widerstandswerte die Störspannungswerte auf den beiden Signalleitungen unterschiedlich dämpfen. Dies wirkt sich vor allem dann aus, wenn der Quellwiderstand der Spannungsquelle Ue - angedeutet mit Ri - relativ hochohmig ist. Im Falle der Messung bioelektrischer Signale (EMG) ist dies der Fall. Diese Störung tritt aber nur dann massiv in Erscheinung, wenn die Leitung zwischen den Elektroden und dem Verstärker nicht abgeschirmt ist und diese dann als Empfangsantenne für niederfrequente elektrische Felder dient. Schwach in Erscheinung treten solche Störungen auch mit Abschirmung des Messkabels, ausser man stellt Mensch und Messgerät in einen vollständig abgeschirmten Raum, den man als Faradeischen Käfig bezeichnet.

Diese Überlegung mit der Asymmetrie und dessen Nichtbeeinflussung der verstärkenden Differenzspannung trifft genau auch dann zu, wenn die Spannungsquellen Ue1 und Ue2 zwar gleich gross sind, deren Mittelpunkt jedoch nicht mit GND, dem Mittelwert zwischen der positiven und negativen Betriebsspannung referenziert ist. Davon weiter unten mehr mit Bild 3. Da wird auch thematisiert, was passiert, wenn die Eingangsspannung überhaupt nicht referenziert ist, also weder mit GND noch sonst einer Spannung, die sich auf die Betriebsspannung bezieht. Es wird auch etwas über die Widerstandswerte der in Teilbild 1.2 zu Ue1 und Ue2 parallel gezeichneten Widerstände erklärt.

In Bild 2 soll gezeigt werden wie in den folgenden Bildern der Instrumentationsverstärker, gleichgültig ob integriert oder mit einzelnen Operationsverstärkern quasi-diskret aufgebaut, vereinfachend dargestellt wird. Diese Darstellungsart - rechts im Bild - ist in der Fachliteratur und in den Datenblättern von integrierten Instrumentationsverstärkern üblich. Etwas verwirrend und unüblich sind hier die beiden kleineren Minus-Symbole an den Stellen wo R1 eingefügt wird. Diese kleineren Minus-Symbole weisen einzig auf die invertierenden Eingänge der beiden Operationsverstärker IC:A1 und IC:A2 hin. R1 dient der Einstellung der Verstärkung.

Die integrierten monolytischen (früher hybriden) Instrumentationsverstärker haben gegenüber den quasi-diskreten Schaltungen mit einzelnen Operationsverstärkern einen signifikanten Vorteil. Die integrierten Widerstände R3 sind höchstpräzise aufeinander mit dem Lasertrimmverfahren abgestimmt. Damit erreicht man eine sehr hohe Gleichtaktunterdrückung des Instrumentationsverstärker und genau dies ist die zweite wichtigste Eigenschaft dieser Verstärker. Die erste ist der hohe Eingangswiderstand am nichtinvertierenden und invertierenden Eingang, was bei einer Differenzverstärkerschaltung mit nur einem Operationsverstärker nicht der Fall ist. Beide Eigenschaften sind ausführlich in Echter Differenzverstärker I beschrieben. Wir beschäftigen uns hier mit Referenzierungsmassnahmen und wollen lernen worauf es dabei wirklich ankommt.

Schon in Bild 1 ist feinschraffiert der Begriff REF-SENSE umrahmt angedeutet. Dieser Anschluss ist dort direkt mit GND verbunden. Ist er das nicht, kann man damit einiges anfangen. Wir werden diesem Begriff ab jetzt dauernd begegnen. Es gibt beim Instrumentationsverstärker zwei Referenzierungen. Mit der einen Art beschäftigen wir uns bereits und es wird damit noch ein Weilchen dauern. Es geht um die Referenzierung des Eingangssignales (Bilder 1, 3 und 4). Mit REF-SENSE kann man zwei Dinge anstellen. Man kann mit REF-SENSE die DC-Offsetspannung des Instrumentationsverstärkers und des Eingangssignales kompensieren (Bild 5) und man kann REF-SENSE, mit gewissen Einschränkungen (nur für AC-Anwendungen), zur automatischen Kompensation der DC-Offsetspannung benutzen (Bild 6). Der Anschluss REF-SENSE wird zusätzlich zur exakten Abstimmung der Gleichtaktunterdrückung eingesetzt. Mehr zu beiden Themen liest man in Echter Differenzverstärker I unter dem Titel Präzisions-Instrumentationsverstärker.



Die Referenzierung der Eingangsspannung

Teilbild 3.1 zeigt uns wieder die klassische Situation. Ue, bestehend aus Ue1 und Ue2 in Serie, wird gemessen und der Spannungsmittelpunkt ist mit dem GND der Betriebsspannung referenziert. REF-SENSE bleibt mit GND verbunden und interessiert uns vorläufig nicht.

Teilbild 3.2 zeigt ein einfaches Experiment das der Leser leicht selbst durchführen kann. Die Spannung der Referenzierung ist mit dem Potmeter P variabel einstellbar. Wir drehen an P die Spannung der Referenz einige Volt über und einige Volt unter den GND-Pegel und gleichzeitig beobachten wir die Spannung am Ausgang des Instrumentationsverstärkers. Wir stellen fest, dass sich der Betrag der verstärkten Spannung Ue nicht ändert, ausser wir übertreiben mit der Einstellung von P und die Summe von UREF + Ue1 oder UREF + Ue2 übersteuert die Eingangsstufe des Instrumentationsverstärkers, weil die positive oder die negative maximale Spannung am invertierenden oder nichtinvertierenden Eingang erreicht oder sogar überschritten wird. Absoluter Limit ist immer die Betriebsspannung ±Ub.

Bleiben wir beim Spielen mit dem Potmeter P,- jedoch innerhalb des erlaubten Bereiches -, so stellen wir keine Veränderung der Ausgangsspannung fest. Warum? Ganz einfach: Wir liefern mit dem Schleifer des Potmeter eine Gleichtaktspannung an beide Signaleingänge des Instrumentationsverstärker. Die selbe Spannung UREF summiert sich mit Ue1 und Ue2. Unabhängig davon ob Ue1 und Ue2 gleich gross sind oder nicht, erfahren beide Signaleingänge am Instrumentationsverstärker die selbe Veränderung der Spannung UREF. Diese Spannungswerte werden durch das R3-Widerstandsnetzwerk (Bild 2) subtrahiert. Es wirkt die sehr wünschenswerte Gleichtaktunterdrückung, die man im Fachausdruck auch Common-Mode-Rejection-Ratio (CMRR) nennt. Je genauer das R3-Netzwerk abgestimmt ist, um so grösser ist das CMRR, die in Dezibel (dB) angegeben wird.

Teilbild 3.3 zeigt uns einen verbotenen Betriebszustand! Die Spannungsquelle Ue, bestehend aus den Teilspannungen Ue1 und Ue2, ist nicht referenziert. Die Referenzleitung hängt in der Luft und trotzdem ist es möglich, dass am Ausgang des Instrumentationsverstärkers die korrekt verstärkte Spannung gemessen wird. Wie ist das möglich?

Wir sehen um die nicht angeschlossene Referenzleitung UREF, die oft auch die gemeinsame Abschirmung der beiden Signalleiter ist, einen Haufen herumschwirrender Plus- und Minussymbole. Sie deuten ein elektrisches Feld an. Dies kann das E-Feld sein das durch die Betriebsspannung +Ub und -Ub verursacht wird. Wenn dem wirklich so ist, wird diese offene Referenzleitung in der Weise beeinflusst, dass an ihr eine Spannung zwischen +Ub und -Ub anliegt. Warum dies? Ganz einfach: Der Eingangswiderstand der beiden Eingänge des Instrumentationsverstärkers ist, falls diese JFET- oder MOS-FET-Eingangsstufen haben, derart extrem hochohmig, dass ein elektrisches Feld in einem offenen Zustand die Referenzspannung bestimmen kann. Liegt diese Spannung nun im erlaubten Bereich zwischen +Ub und -Ub, merkt man nichts und man misst die korrekt verstärkte Spannung an Ua. Es genügt allerdings irgend ein kurzer Störimpuls, dessen E-Feld die offene Referenzleitung in der Weise beeinflusst, dass ihre Spannung +Ub oder -Ub überschreitet, und dann verschwindet ebenso die Ausgangsspannung oder sie wird zumindest am positiven oder negativen Scheitelwert beschnitten, geklippt, wie man üblicherweise eher sagt.

Aber selbst dann wenn jede E-Feld-Störung völlig ausgeschlossen ist und die E-Feldstärke örtlich konstant bleibt, verharrt die Spannung auf der Referenzleitung nicht auf einem konstanten Wert. Die Eingänge haben auch bei JFET- oder MOSFET sehr geringe sogenannte Bias-Ströme und sie haben ebenso endliche, wenn auch extrem hohe Eingangswiderstände. Und all diese Werte sind auch noch temperaturabhängig. All dies führt dazu, dass diese E-Feld-beeinflusste Referenzspannung entweder zum positiven oder negativen Maximalwert driftet. Vorgegeben sind diese beiden Maximalwerte durch +Ub und -Ub. Auf diese Weise ist ein stabiler Betrieb völlig unmöglich!

Teilbild 3.4 zeigt eingangsseitig eine nichtreferenzierbare Spannungsquelle, weil sie eben nur aus einer Spannung Ue besteht. Da hilft nichts anderes, man muss mittels zwei (sehr hochohmigen) Widerständen, die Referenzierung herbeiführen. Diese beiden Widerstände R2 und R3 belasten allerdings Ue, aber diese dürfen bei JFET- oder ganz besonders bei MOS-FET-Eingängen sehr hochohmig sein. R2 und R3 sind hier mit 10 M-Ohm angeben. Es dürfen durchaus auch 100 M-Ohm oder sogar mehr sein. Dann muss man allerdings peinlichst dafür besorgt sein, dass es auf dem Print keine noch so geringen Feuchtigkeits- oder Schmutzniederschläge gibt, weil die die sehr hochohmigen Widerstände zunichte machen würden und zwischen R2 und R3 eine grosse Asymmetrie entstehen kann. Ein feuchtigkeitsresistenter (nicht-hygroskopischer) Lacküberzug wäre sehr empfehlenswert. Eine solch extreme Hochohmigkeit von R2 und R3 macht allerdings nur dann Sinn, wenn der Quellwiderstand der Spannungsquelle Ue selbst sehr hochohmig ist. Es spielt dabei keine Rolle ob Ue eine DC- oder AC-Spannungsquelle ist.



Referenzierung der Eingangsspannung und des REF-SENSE

In diesem Kapitel geht es zusätzlich um die korrekte Referenzierung von REF-SENSE. Dazu wird bereits einiges in Echter Differenzverstärker I im Kapitel Präzisions-Instrumentationsverstärker/Präziser DC-Offsetspannungsabgleich (Bild 5) beschrieben. Hier geht es noch zusätzlich um die prinzipielle Beschaltung, wenn die Instrumentationsverstärker-Schaltung asymmetrisch, also nur mit einer Betriebsspannung +Ub, gespeist werden soll. Wir kommen zu Bild 4:

Teilbild 4.1: Wir gehen wieder einmal von der Standardschaltung aus. Diese Schaltung arbeitet mit symmetrischer Speisung, z.B. ± 5 VDC, ± 12VDC oder ± 15VDC, was auch immer beliebt. Da wird normalerweise Ue, bestehend aus Ue1 und Ue2 und ebenso REF-SENSE mit GND referenziert. Wie aber sieht die Referenzierung aus, wenn die Schaltung bloss mit einer einzigen Betriebsspannung +Ub gespeist werden soll? Die selben nachfolgenden Überlegungen gelten auch, wenn es nur Ue alleine und dafür zwei Referenzwiderstände (Teilbilder 1.2 und 3.4) gibt.

Teilbild 4.2: Im Prinzip finktioniert's genauso wie bei symmetrischer Betriebsspannung, bestehend aus +Ub und -Ub, nämlich mit der halben Spannung. Wenn nur eine Betriebsspannung eingesetzt werden soll, ist dies eben +Ub/2. Allerdings müssen da einige wichtige Einzelheiten bedacht werden. Wenn nicht, geht einiges nicht so wie man es gerne haben möchte.

Teilbild 4.3 zeigt wie man es richtig macht. Man realisiert mit R2 und R3 einen Spannungsteiler. Dieser erzeugt am nichtinvertierenden Eingang des Operationsverstärkers IC:A die halbe Betriebsspannung +Ub/2. IC:A arbeitet mit Verstärkung 1 als Spannungsfolger und Impedanzwandler. Um allfällige Stör- und Rauschssignale zu unterdrücken ist R3 mit C1 parallelgeschaltet. Dabei stellt sich die Frage, warum man denn nicht gleich diese halbe Betriebsspannung zur Referenzierung benutzt. Ganz einfach deshalb nicht weil sie meist zu hochohmig ist. Für UREF wäre sie zwar noch brauchbar wenn wir nur AC-Spannungssignale verstärken, dessen niedrigste Frequenz um ein Vielfaches höher als die Grenzfrequenz des C1-R2-R3-Netzwerkes ist und diese beträgt hier 0.3 Hz. Ein Anwender könnte jetzt behaupten: No problem, Frequenzen unterhalb von 10 Hz interessieren mich sowieso nicht. Er denkt vielleicht aber nicht darüber nach, dass Ue eine DC- oder sehr niederfrequente Gleichtakt-Offsetspannung haben kann oder eine 50Hz-Gleichtakt-Brummspannung drahtlos auf Peripherie oder Signalleitung einwirkt, und schon zeigt sich eine schlechtere Gleichtaktunterdrückung. Auch für 50 Hz ist die Impedanz des C1-R2-R3-Netzwerkes, trotz seiner niedrigen Grenzfrequenz, im Verhältnis zum IC-internen R3-Widerstand (siehe Bild 2) zu gross. Die Wirkung des erwähnten hochpräzisen Laserabgleichs wäre nutzlos. Dies betrifft den REF-SENSE-Eingang.

Um diesem Problem mit wenig Zusatzaufwand aus dem Wege zu gehen, benutzt man eben eine Impedanzwandlerschaltung mit Verstärkung 1, realisiert mit dem Operationsverstärker IC:A. Man muss bei der Wahl des Operationsverstärkers unbedingt darauf achten, dass er unity-gain-stable ist, d.h. bei der niedrigsten Verstärkung von 1, ohne Neigung zum Oszillieren, stabil arbeitet. Dies ist z.B. beim LF356 oder TL071 gegeben. Der Ausgang von IC:A ist nur bei niedrigen Frequenzen extrem niederohmig, weil bei höheren Frequenzen das Verhältnis von offener (Open-Loop-Gain) zur geschlossener Schlaufenverstärkung (Closed-Loop-Gain) abnimmt. Mit zunehmender Frequenz steigt der Widerstand, besser gesagt die Impedanz, weil es ein komplexer Widerstand ist. Genau so verhält sich eine Induktivität und diese Tatsache ist speziell beschrieben im Elektronik-Minikurs Ein DC-Spannungsregler ist auch eine Induktivität. Das trifft ebenso auf jede andere Schaltung zu, bei der Spannungen mittels Gegenkopplung verstärkt werden. Man studiere dazu bitte auch das Datenblatt eines Operationsverstärkers. Daher ist es also wichtig, dass C2 an den Ausgang von IC:A geschaltet wird. Es sollte ein Elko im oberen 10- bis 100-µF-Bereich sein. Arbeitet die Schaltung im 100kHz-Bereich oder höher, empfiehlt sich parallel zum Elko C2 ein Multlayer-Chip- oder Keramikkondensator C2' von etwa 100 nF, weil dieser besonders induktionsarm ist. Damit ist der Quellenwiderstand (Impedanz) von IC:A über eine grosse Frequenzbandbreite sehr niederohmig und die Rausch- und Störspannungen werden ebenso breitbandig wirksam gedämpft.



REF-SENSE-Anwendung: DC-Offsetspannungsabgleich

Wir kommen jetzt wieder zurück zu Schaltungen die symmetrisch mit ±Ub betrieben werden und so grundsätzlich mit GND referenziert sind. Hier geht es darum, dass am Eingang REF-SENSE die DC-Offsetspannung am Ausgang Ua exakt auf 0 VDC abgeglichen wird. Da die nachgeschalteten Verstärker mit IC:A1 und IC:A2 zusätzlich eine DC-Offsetspannung, multiplizierend mit diesen beiden Operationsverstärker, an Ua erzeugen, kann man beim Nullabgleich der DC-Offsetspannung an Ua IC:A1 und IC:A2 miteinbeziehen. Eine andere einfache Möglichkeit des DC-Offsetabgleichs besteht nicht, wenn DC-Spannungen verstärkt werden sollen.

Dieser DC-Offsetspannungsabgleich wird aber bereits in Echter Differenzverstärker I im Kapitel Präzisions-Instrumentationsverstärker (Bild 5) thematisiert. Dort wird speziell der Vorteil der spannungsteilenden Funktion von R6/R8 und R7/R9 hervorgehoben. Dort sind es R5/R4, wobei beide Spannungsteiler, wegen der gleichen Widerstände, gleich bezeichnet sind. Diese Schaltung soll hier lediglich die Einleitung für einen automatischen DC-Offsetspannungsabgleich sein, wie im folgenden Kapitel mit Bild 6 illustriert wird.



REF-SENSE-Anwendung: Automatischer DC-Offsetspannungsabgleich

Der Trick ist ganz einfach und er stammt nicht aus meiner Küche. Es ist eine Applicationnote im Datenblatt des monolythisch integrierten Instrumentationsverstärker INA111 von Burr-Brown, der sehr berühmt ist. Ich habe diesen Trick getestet und er funktioniert hervorragend. Nehmen wir einmal an der Instrumentationsverstärker IC:IA verstärkt um einen Faktor 100 und das Produkt aus der Verstärkung IC:A1 und IC:A2 ist ebenfalls 100. Das Produkt aller Teilverstärkungen ist somit 10'000. Ein Wert der zur Messung elektromyographischer Signale (EMG) durchaus üblich und eher noch fast zu niedrig ist.

Es sei betont, dass dieser automatische DC-Offsetspannungsabgleich sich nur begrenzt für die DC-Offsetspannung der externen zu messenden Spannungsquelle Ue eignet. Wird die hochverstärkende Eingangangstufe des IC:IA durch die externe DC-Offsetspannung übersteuert, nützt die ganze DC-Offsetregelung nichts. Da bei EMG-Messungen immer auch eine elektrochemische Elementen-DC-Spannung von etwa 10 bis 100 mV wirkt und diese sich als DC-Offsetspannung überlagert, muss diese DC-Spannung eingangsseitig entkoppelt werden. Dies erreicht man elegant und einfach in dem man anstatt nur R1 ein passives Hochpassfilter aus R1 und C1 einsetzt. Da die Grenzfrequenz, mit meist um 10 Hz, ziemlich niedrig sein muss und R1 durch die hohe Verstärkung eher niedrig ausfällt, wird C1 relativ gross. Um nicht gleich bipolare Elkos einsetzen zu müssen, denke man bitte daran, dass es spezielle kleine Trockenelkos für AC-Spannungsanwendungen von der Firma VISHAY gibt, die in der Lage sind eine falsch gepolte Spannung von 30% der Nennspannung dauerhaft zu ertragen. Mehr dazu liest man im Elektronik-Minikurs Spezieller Alu-Elko für Wechselspannungseinsatz.

Doch nun zur Funktionsweise des automatischen Abgleichs der DC-Offsetspannung. Nehmen wir an durch die sehr hohe Verstärkung resultiert eine DC-Offsetspannung an Ua von einigen 100mV bis in den unteren Voltbereich. IC:A3 arbeitet als invertierender Integrator. Die hohe DC-Offsetspannung an Ua wird durch IC:A3 durch seine extrem hohe Leerlaufverstärkung bis zum Maximalwert, gegeben durch die Betriebsspannung, invertierend verstärkt. Durch die Einspeisung dieser Spannung in REF-SENSE wird die DC-Offsetspannung an Ua kompensiert. Sie regelt sich durch diese Regelschlaufe aus. Die Folge davon ist, dass am Ausgang Ua eine sehr niedrige DC-Offsetspannung auch bei hoher Gesamtverstärkung anliegt. Die Spannung am Ausgang des Intergrators IC:A3 ist im geregelten Zustand ebenfalls sehr klein.

Wir müssen jetzt aber noch den AC-Spannungsaspekt näher betrachten. Vorhin erwähnte ich: "Es sei betont, dass dieser automatische DC-Offsetspannungsabgleich sich nur begrenzt für die DC-Offsetspannung der extern zu messenden Spannungsquelle Ue eignet." Dies bedeutet, dass diese Methode der automatischen Kompensation der DC-Offsetspannung sich nicht zur Verstärkung von differenziellen DC-Spannungen eignet. Wie aber sieht es mit niedrigen AC-Frequenzen aus? Der R6-C2-Integrator (IC:A3) dämpft die ausgangsseitige AC-Spannung als Tiefpassfilter erster Ordnung mit einer definierten Grenzfrequenz und einem Dämpfungsverlauf - man nennt dies auch Asymptote - von 20 dB pro Frequenzdekade oder 6 dB pro Frequenzoktave (Frequenzdoppelwert). Diese Integratorschaltung im Rückkopplungspfad hat eine Hochpassfilterwirkung, ebenfalls erster Ordnung, im Signalübertragungspfad von Ue nach Ua. Die -3dB-Grenzfrequenz dieses indirekten Hochpassfilters ist vom Wert der R6/C2-Zeitkonstante und durch die Verstärkung von IC:A1 und IC:A2 bedingt.
Es gilt: Je grösser die Verstärkung von IC:A1 und IC:A2 ist, um so grösser muss die R6-C2-Zeitkonstante sein um die selbe indirekte Hochpassfilter-3dB-Grenzfrequenz zu erreichen. Die R6-C2-Zeitkonstante kann dabei einen unerträglich hohen Wert annehmen. Unerträglich, weil der Einschwingvorgang nach Einschalten der Schaltung sehr lange dauern kann. Hier sucht man den Kompromiss, in dem man die rückgekoppelte Spannung erst mit R7/R8 teilt und dafür nimmt man eine noch erträgliche DC-Offsetspannung am Ausgang Ua in Kauf. Um den Betrag dieser Spannungsteilung kann die R6-C2-Zeitkonstante entsprechend reduziert werden. Wie die Hochpassgrenzfrequenz berechnet wird, zeigt in schraffiertem Rahmen ebenfalls Bild 6.

Mit einer solchen DC-Offsetspannungskompensation über einen ganzen Verstärkerpfad hat man den Vorteil, dass man einzelne Verstärkerzwischenstufen nicht DC-entkoppeln muss. Sonst müsste in Serie zu R3 und R5 je ein Kondensator geschaltet werden. Diese Kapazitätswerte fallen, besonders bei hohe Verstärkungen und niedriger minimaler Durchlassfrequenz, recht hoch aus, weil R3 und R5 eben auch recht niedrig ausfallen können und gerade wenn symmetrisch gespeist wird, kann man für diese Entkopplung schlecht Elkos einsetzen, ausser man verwendet auch hier die weiter oben erwähnten speziellen Alu-Trockenelkos.

In den Bildern 4 und 5 werden am Ausgang des Spannungsfolgers und Impedanzwandlers IC:A bzw. IC:A3 zwecks Stör- und Rauschsignalunterdrückung den Elko C2 eingsetzt. Hier bei der automatischen DC-Offsetregelung muss man damit zurückhaltend sein, weil man damit eine Instabilität einhandeln kann. Ich habe dies nicht untersucht. Ich möchte an dieser Stelle sehr empfehlen, eine solche Schaltung, wie Bild 6 zeigt, zuerst im Versuchsaufbau zu studieren und genau kennenzulernen, bevor's an die ultimative Realisierung geht!



Die exzellente integrierte Ex-Auto-Zero-Schaltung LMC669

Fast zum Schluss sei noch erwähnt, dass es vor sehr langer Zeit von National-Semiconductor-Corporation die integrierte Auto-Zero-Schaltung LMC669 gab, die man beinahe in jede beliebige Verstärkerschaltung, zwecks automatischer Kompensation der DC-Offsetspannung, einsetzen konnte. Das Grossartige war, dass man mit der LMC669 auch DC-Signale verstärken konnte. Traurig ist es, dass es dieses IC schon lange nicht mehr gibt.