Gegentakt-Endstufe ohne Ruhestrom:
Die praktische und verzerrungsarme Anwendung


Einleitung

Für das Verständnis dieses anwendungsbezogenen Elektronik-Minikurses, ist das Studium des fundamentalen Voraussetzung. Hier der Link:



Praktische Schaltung einer Audio-Endstufe ohne Ruhestrom

Anstelle des LF356, wie im Theorieteil thematisiert, wird hier ein NE5534 verwendet. Dieser Opamp ist nicht weniger legendär. Er glänzt auch noch heute vor allem im Audiobereich. Er hat eine niedrige äquivalente Eingangs-Rauschspannungsdichte von 3.5 nV/sqrt(Hz) - geeignet z.B. als Mikrophon-Vorverstärker für niederohmige dynamische Mikrophone oder Elektret-Mikrofone - und er hat eine exzellente Treiberfähigkeit. Bei einer Betriebsspannung von ±15 VDC kann der NE5534 eine Last von 600 Ohm bis auf mindestens ±10 V ohne Amplitudenbegrenzung aussteuern. Gerade diese Eigenschaft kommt der vorliegenden Anwendung zugute. Die Unity-Gain-Bandbreite mit 10 MHz und die Slewrate von maximal 13 V/µs des NE5534 sind gross genug. Die HIFI-Anforderungen werden in der folgenden Anwendung mehr als erfüllt.

Dem aufmerksamen Leser fällt auf, dass in der Endstufe in Bild 1 R3 hinzugekommen ist. Einer dieser aufmerksamen Leser gab mir den Tipp ein paar Worte dazu zuschreiben. Ich hole dies an dieser Stelle nach: Im theoretischen Teil fehlt R3 in Teilbild 4.2 absichtlich. Dieses Bild zeigt, wie die Übernahmeverzerrung durch die starke Gegenkopplung praktisch verschwindet. Es wird an dieser Stelle allerdings auch darauf hingewiesen, dass die Unterdrückung der Übernahmeverzerrung frequenzabhängig ist. Je schneller der Opamp die Basis-Emitter-Schwellenspannungen der beiden Endstufentransistoren durchlaufen kann, um so geringer wirkt sich die Übernahmeverzerrung bei höheren Signalfrequenzen aus. R3 unterstützt den Opamp in dieser Arbeit. Nämlich solange der Laststrom am Ausgang (Lautsprecher) sehr niedrig ist, fliesst durch R3 der dazu notwendige Strom. Erst dann, wenn der Laststrom soweit ansteigt - z.B. bei einer Sinusspannung -, dass der Spannungsabfall an R3 die Basis-Emitter-Schwellenspannung einer der beiden Endstufentransistoren (je nach Polarität) erreicht, fliesst in T1 oder T2 ein Basisstrom. Damit übernimmt der Transistor mit seinem Emitterstrom jeden weiteren Stromanstieg. Der Strom in R3 bleibt konstant, weil die Basis-Emitter-Spannung von T1 oder T2 bei diesem Vorgang konstant bleibt. R3 ist nicht unwichtig, denn z.B. bei ganz leiser Musik kann es sein, dass R3 zur Stromleitung einen erheblichen Beitrag leistet und damit wird der Klirrfaktor zusätzlich unterdrückt.

Das passive Tiefpassfilter am NF-Eingang aus R1 und C1, mit seiner Grenzfrequenz von etwa 100 kHz, verhindert die Einkopplung allfällig hoher Feldstärken von AM-Radiosendern, falls die Zuleitung sehr lang ist und als Empfangsantenne wirken könnte. In diesem Fall würde die Eingangsstufe des Opamp als AM-Demodulator wirken und man hätte unerwünschten Radioempfang. Meist sind es Kurzwellenseder. Der NE5534 ist intern frequenzgangkompensiert, jedoch nicht vollständig bis hinunter zu sehr niedriger Verstärkung. Deshalb das zusätzliche Kompensationsnetzwerk aus R2 und C2. Diese Verstärkerschaltung ist erbrobt. Sie arbeitet in doppelter Ausführung (Stereo) seit Mitte der 1980er-Jahren in aktiven Küchenlautsprecherboxen, gesteuert von der HIFI-Anlage aus meinem Wohnzimmer.


Warum zwei Betriebsspannungen?

Es gibt zwei unterschiedliche symmetrische Betriebsspannungen. Eine stabilisierte elektronisch geregelte DC-Spannung von ±15 VDC für den Opamp und eine unstabilisierte von etwa ±12 VDC für die Endstufe, bestehend aus T1 und T2. Selbstverständlich könnte man auch diese Endstufe mit der selben Spannung von ±15 VDC betreiben. Dies würde jedoch eine unnötig höhere Verlustleistung an der Endstufe und an den beiden Spannungsreglern (Bild 2) verursachen und einen leistungsfähigeren Trafo voraussetzen (Bild 2). Es ist aber gar nicht nötig die Endstufe mit einer stabilen, geregelten Spannung zu betreiben. Die Spannungsregelung für die Lautsprecherspannung übernimmt ohnehin der Opamp und die Referenz dazu ist die Eingangsspannung NF-Inp. Dazu kommt, dass die ausgangsseitige maximale verzerrungsarme Amplitudenaussteuerung, bei einer Betriebsspannung von ±15 VDC, bei maximal ±12 V liegt. Dies deshalb, weil der Opamp selbst nur bis etwa 2 V unterhalb der positiven und negativen Betriebspannung gesteuert werden kann und die Endstufentransistoren, als Emitterfolger arbeitend, die maximale Aussteuerung noch einmal um etwa ±1 V oder etwas mehr reduzieren.

Also darf die Betriebsspannung der Endstufe auf jedenfall niedriger sein. Dass man für die ungeregelte Spannung ±12 VDC vorsieht ist realistisch, weil dies wäre die Nennspannung, also dann wenn das Netzteil (Bild 2) voll belastet ist. Dies ist aber bei Audio-Endverstärkern nie der Fall. Realität ist, dass die mittlere verbrauchte elektrische Leistung beim Lautsprecher sehr viel niedriger ist und die Nennleistung meist nur in den Augenblicken von Bässen dann herausgefordert wird, wenn beim Vorverstärker die Basseinstellung eine starke Anhebung aufweist. Weil dem so ist, ist die ungeregelte DC-Spannung von ±12 VDC durchschnittlich höher. Unbelastet liegt die Sekundärspannung bei einem 25-VA-Trafo bis etwa 20% höher als bei der Nennlast. Bei nur geringer Belastung liegt die Spannung für die Endstufe bei etwa 13 bis 14 VDC. Mehr dazu im folgenden Abschnitt.



Netzteil zur (Stereo-)Audioendstufe von Bild 2

Dazu nehme man einen handelsüblichen Printtrafo mit einer Leistung von 25VA und einer doppelten Sekundärspannung von je 9 VAC oder 9.5 VAC, je nachdem was man "von der Stange" bekommt. Für die Speisung von zwei Endstufen (Stereobetrieb) gibt es eine simple ungeregelte duale Brückengleichrichter-Elko-Speisung, bestehend aus GL, C1 und C2. Für die geregelte Betriebsspannung von ±15 VDC mit den berühmten 7815 (VR1) und 7915 (VR2), braucht es eine symmetrisch aufgebaute Spannungsverdopplung, bestehend aus D1 bis D4 und C3 bis C6.

Ein paar Worte zur Primärkreis-Sicherung von 250mA-T. T bedeutet träge. Das sollte genügen, wenn man nicht einen Ringkerntrafo einsetzen will, der höhere Einschaltstromspitzen aufweist. Dann wird man eine doppelträge Sicherung mit der Bezeichnung 250mA-TT einsetzen müssen. Eine Einschaltstrombegrenzung ist bei solch niederiger Trafoleistung noch nicht nötig.



Warum eine symmetrische Speisung?

Warum braucht es denn eine symmetrische Speisung? Geht es denn nicht auch einfacher? So die Frage eines Leser. Meine Antwort: Das geht schon. Allerdings mit gewissen Nachteilen. Man betrachte dazu Bild 3:

Geprüft habe ich diese Schaltung nicht, aber sie sollte funktionieren. Anstelle eines GND als Arbeitspunkt, wie bei einer symmetrischen Speisung, gibt es hier ein Arbeitspunkt, der in der halben Betriebsspannung liegt. Messbar ist diese halbe Spannung +Ub/2 am Knoten zwischen R7 und R8 (beide Widerstände gleich gross). Das Problem ist, wie will man hier eine symmetrische Aufteilung der beiden Betriebsspannungen für den Opamp-Teil und für die Transistor-Endstufe realisieren? Geht nicht mit einfachen Mitteln. Man muss darauf verzichten und so eine grössere Verlustleistung von T1 und T2 hinnehmen oder man reduziert die Lautsprecherleistung mit einer niedrigeren Betriebsspannung, z.B. mit +24 VDC, ebenfalls ungeregelt.

Ein paar Details. Der Parallelwiderstandswert von R7||R8 und die Kapazität von C8 bilden ein passives Tiefpassfilter mit einer Grenzfrequenz von 0.32 Hz. Bei einer Frequenz von 64 Hz wird die Rippelspannung auf +Ub um den Faktor 200 (46 dB) gedämpft. Bei 100 Hz ist es entsprechend etwas mehr. Es gilt bei einem Tiefpassfilter erster Ordnung eine Asymptote von 20 dB pro Frequenzdekade. Eine Rippelspannung von 1 Vpp (relativ starke Bassbelastung) reduziert sich auf weniger als 5 mVpp. Wobei das stimmt dann, wenn die Rippelspannung sinusförmig wäre. Das ist natürlich nicht der Fall. Der Spannungsverlauf gleicht einem Sägezahn mit einem starken Oberwellenanteil. Dieser Anteil liegt bei wesentlich höheren Frequenzen und deshalb ist die Dämpfung etwas grösser, bzw. die Rest-Rippelspannung an +Ub/2 niedriger.

Das passive Hochpassfilter aus C7 und R9 mit einer Grenzfrequenz von etwa 5 Hz dient der DC-Entkopplung, damit am Eingang eine Audioquelle mit Bezug auf GND angeschlossen werden kann. R10 ladet C7 auf +Ub/2. Dies vermeidet ein lautes Knackgeräusch, wenn am Eingang im Betriebszustand eine Audioquelle angeschlossen wird. Der eigentliche Eingangswiderstand beträgt etwas weniger als 10 k-Ohm (Wert von R9), weil der minimale Eingangswiderstand des NE5534 bei 30 k-Ohm (typisch 100 k-Ohm) liegt. C5 ist nötig, damit die Arbeitspannung +Ub/2 auch am invertierenden Eingang (virtuelles +Ub/2) wirksam sein kann. Das passive Hochpassfilter aus C5 und R5 hat eine Grenzfrequenz von etwa 7 Hz. Beim Lautsprecher muss man die selben Vorkehrungen treffen mit C6. Ohne diesen Elko würde durch den Lautsprecher ständig ein hoher DC-Strom fliessen. Bei all diesen Massnahmen und Nachteilen, schätze ich die Methode wie sie in Bild 1 und Bild 2 gezeigt wird. Viele professionelle Audioanlagen arbeiten mit symmetrischen Betriebsspannungen.

Weitere Schaltungen, wie Vorverstärker und Klangeinsteller, sollte man mit einer geregelten Spannung versorgen. Dazu eignet sich neben den bekannten 78xx-Festspannungsregler hervorragend der LM317. Die praktische Beschaltung und viele sinnvolle Hinweise zum LM317 erfährt man in den folgenden zwei Elektronik-Minikursen:



Lautstärke, Höhen, Bass und Balance

Ein Leser äusserte den Wunsch die Audioendstufe (Bild 1) mit einer Klangregelschaltung in Stereoausführung zu erweitern. Nichts einfacher als dies, denn genau so etwas habe ich damals für meine Aktiv-Küchenlautsprecher realisiert. Ich musste mich allerdings erstmal erkundigen, ob es das passende IC den LM1036 noch gibt. Der LM1036 (Datenblatt) ist nach wie vor erhältlich bei Farnell und Distrelec (März 2014).

Die Bauteilwerte um den LM1036 weichen teilweise von der Application-Circiut auf Seite 5 des Datenblattes ab. Die Kapazitäten C3,C4 mit 47 nF anstatt 10 nF für HIGH und C7,C8 mit 100 nF anstatt 390 nF für BASS entsprechen nicht den Originalwerten. Das kommt daher, dass ich nicht das Diagramm "STANDARD APPLICATION CIRCUIT" (Figure 1) sondern "INCREASED CONTROL RANGE" (Figure 3) realisiert habe. Siehe Seite 6 im Datenblatt. Grund dafür sind die verwendeten preiswerten und relativ kleinen Lautsprecher, welche nicht gerade mit einem linearen Frequenzgang glänzen. So ist es trotzdem möglich, den Bassbereich mit immerhin +17 dB ausreichend anzuheben. Für den Höhenbereich genügen knapp mehr als +5 dB.

Für die Potmeter P1 bis P4 setzte ich 100 k-Ohm statt 47 k-Ohm ein. R23 mit 47 k-Ohm (wenn P2 = 100 k-Ohm) muss den "Todbereich" des Volumereglers P2 zu reduzieren. Dies geht nicht aus dem Datenblatt hervor. Mir fiel dies damals beim Experimentieren mit dem LM1035/36 auf und handelte entsprechend. An den Ausgängen Pin 13 und Pin 8 zeigten sich sehr hohe Oszillationsfrequenzen oberhalb von 100 MHz. Mit je einem Keramikkondensator von 100 pF sind diese hohen Frequenzen kurzgeschlossen oder beseitigt. R4 gibt es im Original nicht. R4 dient als Kurzschlussschutz für die IC-interne Referenzspannungsquelle. Die RC-Komponenten vor den IC-Eingängen VOL (Pin 12), HIGH (Pin 4) und BASS (Pin 14) dienen der Dämpfung der Rauschspannung, die durch das Drehen der Potmeter P1 bis P4 entsteht. Die Eingangsimpedanz liegt bei etwa 30 k-Ohm. Es empfiehlt sich daher auf jedenfall für beide Kanäle je einen Impedanzwandler oder Verstärker vorzuschalten. Diese Massnahme schützt auch den LM1036.

Es ist zu beachten, dass in der vorliegenden Anwendung der LM1036 nicht symmetrisch gespiesen ist. Deshalb benötigt es an den Ein- und Ausgängen DC-Entopplungsmassnahmen (C1,C2,C16,C17). Die Hochpass-Grenzfrequenzen sind so gewählt, dass sie die untere Audiobandbreite nicht signifikant reduzieren. C1*Ri = 5 Hz ; C16*R9 = 1 Hz. Das selbe gilt für den rechten Kanal mit C2*Ri und C17*R10. In der Application Circuit im Datenblatt auf Seite 5 wird als Blockapazität für die Speisung 10 nF angegeben. Das ist definitiv so nicht brauchbar. Eine stabile und brauchbare Lösung zeigte sich mit dem RC-Netzwerk aus R3, C9 und C10.

Die Betriebsspannung des LM1036 beträgt +9 VDC bis maximal +16 VDC. Hier kommen stabilisierte +15 VDC (siehe Bild 2) zum Einsatz. Natürlich ist es dem Leser freigestellt, die Schaltung so umzugestalten, dass ein symmetrischer Betrieb für den LM1036 möglich ist. In diesem Fall gilt ein Bereich für die Betriebsspannung von ±4.5 VDC bis maximal ±8 VDC.

Zur Anpassung an das Stereosignal einer Steuereinheit für die Audioanlage, musste ich am Ausgang mit den Opamps IC:B1 und IC:B2 (ein TL072) die Pegel um einen Betrag von etwa +12 dB (4x) verstärken. Diese beiden Opamps dienen zusätzlich für den DC-Offset-Nullablgleich für die beiden Audioendstufen (Bild 1), damit keiner der beiden Lautsprecher auch nur einen geringen DC-Strom abkriegt. Wie man solche Abgleichschaltungen im 10mV-Bereich elegant realisiert, erfährt man in Operationsverstärker II.



Ein paar Worte zu Verlustleistung und Wärmeableitung

Die maximale Sinus-Leistung nimmt ein Lautsprecher dann auf, wenn die Sinus-Spannung am Lautsprecher so hoch ist, dass diese in den Amplitudenmaxima gerade noch noch nicht begrenzt wird. Bei der vorliegenden Schaltung in Bild 2 sind das 7 Watt, wenn nur ein Lautsprecher ausgesteuert wird. Arbeiten beide gleichzeitig unter der selben Vollast, erreicht jeder einzelne Lautsprecher nur noch 6 Watt. Beide zusammen 12 Watt. Im Einsatz ist ein Trafo der seine maximale Leistung von 25 VA sekundärseitig abgibt.

Der Wirkungsgrad eines Klasse-B-Verstärker wird theoretisch mit bis zu 78% angegeben. Beim AB-Verstärker sind es 60 bis 70%. Mehr zum Thema der unterschiedlichen Wirkungsgrade in Funktion der Verstärker-Klassen erfährt man hier im ELKO-Schaltungstechnikkurs Verstärker. Alleine die Endstufe betrachtet, hat man es mit Klasse B zu tun. Es gibt kein Ruhestrom, dafür jedoch die bekannte Übernahmeverzerrung. Liegt diese Endstufe jedoch in der Gegenkopplungsschlaufe, wie dies Bild 1 illustriert, dann wirkt die gesamte Verstärkerschaltung wie Klasse AB. Dabei stellt sich jetzt die Frage, hat diese Endstufe, wenn isoliert betrachtet Klasse B ist, den selben Wirkungsgrad wie ein reiner Klasse-B-Verstärker, mit bis zu 78%. Ich denke ja, ganz sicher bin ich mir allerdings nicht. Um es genau zu nehmen, einen Ruhestrom gibt es auch, nämlich den des Opamp NE5534 von maximal 8 mA (240 mW). Dazu kommt noch, dass diese maximalen Wirkungsgrade nur dann zustande kommen, wenn alle Komponenten genau auf einander abgestimmt sind. Und das scheitert nur schon daran, wenn man einen Trafo "von der Stange" kauft...

Der langen Ausführungen kurzer Sinn, machen wir es einfach und sagen, dass die Verlustleitung etwa gleich gross ist, wie die maximale Sinus-Leistung an den beiden Lautsprechern und das sind ebenfalls etwa 12 Watt. Das ist ein durchaus realistischer Wert. Aber wir werden gleich sehen, warum es gar nicht so drauf ankommt.

Diese Leistung muss in Form von Wärme mittels Kühlkörper von T1 und T2 abgeleitet werden. Stimmt das? Nein, stimmt nicht, ausser man beabsichtigt einen totalen Gehörschaden zu riskieren, denn die Mitteltonfrequenzen im kHz-Bereich sind bei solchen Leistungen an den Lautsprechern extrem laut. Sanfte Musik mit Zimmerlautstärke benötigt eine mittlere Leistung im unteren 100-mW-Bereich. Dies zum Vergleich. Trotzdem, wie bereits angedeutet, benötigt man diese höhere Leistung zur verzerrungsarmen Basswiedergabe. Die Taktdauer eines Bassereignisses in Relation zur Taktperiode, z.B. durch eine Bassgitarre, ist relativ gering, wodurch nur eine niedrige mittlere Bassleistung erfolgt. Deshalb genügt eine Kühlkörper-Dimensionierung für beide Leistungsverstärker gemeinsam von eindeutig weniger als 12 Watt. Trotzdem, wenn genug Platz zur Verfügung steht, lohnt es sich stets die Kühlung grosszügig zu dimensionieren, weil das kommt letztlich der Lebensdauer der ganzen Schaltung zugute.

Es gibt ein Elektronik-Minikurs wo die Dimensionierung von Kühlkörpern etwas thematisiert wird. Es gibt auch einen Online-Heatsink-Calculator. Mehr dazu hier:



Technische Daten

Es gilt also, dass zwei Endverstärker (Bild 1) im Einsatz sind, welche vom Netzteil (Bild 2) gespiesen werden. Diese technischen Daten gelten ohne die Klangregelschaltung (Bild 4).


Verstärkung:               3.13  (10 dB)  anpassungsfähig

Maximale Sinus-Leistung:   7 W            (nur ein Kanal im Einsatz)
6 W pro Kanal  (beide Kanäle im Einsatz)
(Last-Ersatzwiderstand
zur Messung = 8 Ohm)

Lautsprecheranforderung:   je 10 Watt / 8 Ohm

Leistungsbandbreite:       100 Hz bis  15 kHz    (7W / 6W)
20 Hz bis  30 kHz    (6W / 5W)

Klirrfaktor bei je 4.5 Watt Sinusleistung an 8 Ohm:

0.23%    bei 100 Hz
0.14%    bei   1 kHz
0.06%    bei   5 kHz
0.05%    bei  10 kHz


Technische Daten im Visier...

Dem aufmerksamen Leser fällt bei den technischen Daten auf, dass die Frequenzbandbreite bei nur einem Watt weniger, drastisch besser ist. Die maximale Frequenz ergibt sich aus der Slewrate der gesamten Verstärkerschaltung. Oberhalb einer kritischen Frequenz und bei einer bestimmten Ausgangsspannung verzerrt sich der Sinus allmählich zu einem Dreieck. Wenn die Ausgangsspannung höher ist, setzt diese Verzerrung bei niedriger Frequenz ein. Mehr zum Thema Slew-Rate erfährt man hier:

Warum verbessert sich noch drastischer die untere Grenzfrequenz von 100 Hz auf 20 Hz, wenn die Ausgangsleistung nicht auf die Spitze getrieben wird? Das kommt ganz einfach davon, wenn der Lautsprecherstrom bei sehr niedriger Audiofrequenz sehr hoch ist, dann interagiert der ebenfalls hohe Scheitelwert der Spannung am Lautsprecher mit der Rippelspannung an den Ladeelkos C1 und C2 (Bild 2) kritisch und komplex. Die Form der Rippelspannung wird durch Überlagerung des niederfrequenten Audiostromes verzerrt und vergrössert. Dies führt erst recht zum Klippen der Scheitelwerte der Lautsprecherspannung, wobei es auch zur Interferenz zwischen der niedrigen Audiofrequenz und der 100-Hz-Frequenz der Rippelspannung an den Ladelkos kommt. Bei höheren Audiofrequenzen bei grosser Belastung, ist die Rippelspannung an den Ladeelkos niedriger, weil die schnelleren Laststromänderungen durch die Ladeelkos besser integriert (ausgemittelt) werden.



Das Boucherot-Glied
Erster Leserbeitrag von Christian Heiling (Infineon)

Ich möchte Dir einen kleinen Nachtrag zu Deinem Elektronik-Minikurs mit dem Titel Gegentakt-Endstufe ohne Ruhestrom: Die praktische und verzerrungsarme Anwendung vorschlagen. Darin ist nämlich das, meiner Meinung nach nicht ganz unwesentliche, R-C-Glied - bestehend aus R6 (47 Ohm) und C3 (22nF) - nicht dokumentiert.

Es handelt sich dabei um ein sogenanntes Boucherot-Glied, das seinen Namen dem gleichnamigen französischen Schaltungstechniker verdankt. Grundsätzlich dient es zu einer Art "Blindstromkompensation" indem es die positive Reaktanz, die in der Lautsprecherimpedanz (=induktiver Anteil) enthalten ist, durch die negative Reaktanz des RC-Gliedes kompensiert und damit einen reellen Abschluss der Verstärkerstufe erzeugt.

Nachdem diese Art der Kompensation natürlich immer nur für eine einzige Frequenz gültig ist, in einem Audiosignal aber immer ein Frequenzspektrum vorliegt, gibt es kaum einen nachvollziehbaren mathematischen Hintergrund für die Dimensionierung des Boucherotgliedes. Vielmehr verlässt man sich dabei auf empirisch ermittelte Erfahrungswerte, wie es auch hier der Fall zu sein scheint.

Typische Werte der Elemente liegen für R zwischen 10 und 100 Ohm und für C zwischen 10 und 100 nF. Diese Werte liefern eben für gängige Lautsprechertypen im Bereich der statistisch maximalen Lastverteilung gute Ergebnisse. Für qualitative sehr hochwertige Systeme werden ohnehin Mehrweglautsprechersysteme verwendet, bei denen man die Frequenzbereiche der einzelnen Lautsprecher enger eingrenzen kann als es hier möglich ist.

Noch ein Hinweis für den Bastler:
Wenn die Verstärkerstufe z.B. zur Messung der (Leistungs)Bandbreite nahe der oberen Grenzfrequenz (oder gar darüber - falls jemand nur die Endstufe alleine testen möchte und Vorverstärker und Begrenzerfilter weglässt) mit voller Amplitude betrieben wird, ist der kapazitive Widerstand (hier von C3) relativ gering und es kann unter Umständen vorkommen, dass der ohmsche Widerstand (hier R6) thermisch überlastet wird und "abbrennt". In diesem - im normalen Betriebszustand nicht auftretenden Sonderfall - ist die leistungsmässige Dimensionierung des vorliegenden Boucherotgliedes zu beachten, wenn man dichten Qualm im Labor vermeiden möchte.


Das Boucherot-Glied
Zweiter Leserbeitrag von Christian Heiling (Infineon)

Dieser zusätzlicher Leserbeitrag von Christian Heiling (bezieht sich auf eine frühere Diskussion in den folgenden anklickbaren Newsgruppen des UseNet und Mausnet).

In denen von Dir angegebenen Diskussionsforen...

...habe ich die Beiträge gelesen und bin zum Schluss gekommen, dass es dort Leser gibt, die sich mit dem mathematischen Hintergrund des Boucherotgliedes beschäftigen möchten. Aus diesem Grund ein weiterer Nachtrag meinerseits:

Grundsätzlich werden 2 Behauptungen aufgestellt:

1. Ist man der Meinung, dass das Boucherotglied zur Unterdrückung von hochfrequenten Ausgangsspannungen dient. Das ist im allgemeinen zwar nicht sehr weit von der Wahrheit entfernt, trifft im konkreten Fall der Gegentaktendstufe aber eher weniger zu. Die Sache ist nämlich die: Die Ausgangsimpedanz der Endstufe ist sehr niedrig und so macht es kaum Sinn, Hochfrequenzen gegen Masse abzuleiten. Viel mehr muss man hier eine frequenzabhängige Gegenkopplung einsetzen, die Hochfrequenzen am Ausgang erst gar nicht entstehen lässt, weil diese schon eingangsseitig unterdrückt werden.

(In der im Elektronik-Minikurs angegebenen Schaltung ist das nicht wirklich erfolgt. Das eingangsseitige Tiefpassfilter und die zusätzliche Frequenzgangkompensation reichen aber völlig aus.) Tatsächlich kann man das Boucherotglied zu diesem Zweck verwenden, wenn keine Gegentaktendstufe vorliegt und z.B. direkt der Ausgang des OpAmp verwendet wird (z.B. für Kopfhörer). Dann macht es durchaus Sinn die Gegenkopplung durch starke Ausgangsbelastung abzuschwächen. Besonders geeignet sind dazu aber Verstärkerschaltungen die mit einem

Transkonduktanzverstärker (OTA) aufgebaut sind. Mehr dazu in:

2. Bernd Mayer behauptet, dass man die Kapazität im Boucherotglied gemäss der Gesetzmässigkeit C=L/(R*R) allgemein bestimmen kann. Das ist unter einer Bedingung völlig richtig! Diese Bedingung ist - Bernd hat richtigerweise auch das korrekt erwähnt - dass die beiden ohmschen Anteile gleich gross sein müssen.

Warum das so ist?

Nicht ganz einfach zu berechnen, aber doch leicht zu verstehen!
Es liegt also eine Parallelschaltung aus einem RC und einem RL Glied vor, wobei R in beiden Fällen gleich ist.

Berechnung der Resonanzfrequenz:
Man berechne: (R + 1/(j*w*C))||(R + j*w*L) --> die Resonanzbedingung ist, dass der Imaginärteil gleich Null ist. Setzt man also ....*j = 0 und löst die entstehende Gleichung nach w auf, kommt man zum bekannten Ergebnis w = sqrt(1/(L*C)).

Löst man die Gleichung aber nicht nach w, sondern nach C, so wird man feststellen, dass sich w eliminiert und man die frequenzunabhängige Bedingung C=L/(R*R)erhält. Setzt man C diesen Wert, so ist die Last für alle Frequenzen gleich R (Idealfall).

Wie kann das sein? - es lässt sich auch logisch erklären:

Bei steigender Frequenz erhöht sich die Reaktanz der Induktivität L gemäss XL=j*w*L - dafür sinkt der sie durchfliessende Strom iL - womit die Spannung uL=iL*XL konstant bleibt.

An der Kapazität herrschen analoge Verhältnisse. Der interessierte Leser kann sich das anhand eines Zeigerdiagrammes visuell vor Augen führen und wird die "totale Kompensation" mit Sicherheit verstehen.

Die Dimensionierung von C mit Hilfe einer Messung der Sprungantwort der Lastimpedanz plus Boucherotglied ist eine gute Idee. Man kann auch - wenn man eine beliebig grosse, genaue Referenzkapaziät verwendet und so die Resonanzfrequenz ermittelt, die Induktivität L einigermassen schnell und ausreichend genau bestimmen!

Somit verbleibt mir, dem Leser für sein Interesse zu danken, und für weitere Fragen zu Verfügung zu stehen.

MfG. Christian