Schalten und Steuern mit Transistoren II


Einleitung

Das Thema dieses Elektronik-Minikurses ist das praxisbezogene Erlernen einer einfachen Transistorschaltung mit bipolaren Transistoren zum schnellen Schalten von Spannungen mit kleinen Strömen. Man kann universelle Transistoren einsetzen, die hauptsächlich für niederfrequente analoge Anwendungen (Verstärker, Filter) gedacht sind, sofern die niedrige Schaltgeschwindigkeit genügt. Was bei diesen NF-Transistoren täuscht, ist die oft hohe Transitfrequenz von mehr als 100 MHz. Man denkt da leicht, das sind ja weniger 10 ns und damit lässt sich leicht auch ein schnelles Ein- und Ausschalten von Spannungen realisieren. Aber ganz so einfach ist das nicht. Da muss man schon Transistoren suchen, welche Wertangaben in den Einschalt- (Turn-On-Time), Speicher- (Storage-Time) und Ausschaltzeiten (Turn-Off-Time) enthalten und diese Werte müssen, wenn notwendig, im 10ns-Bereich oder sogar deutlich darunter liegen.

Solche Transistoren gibt es, wie z.B. der bereits betagte 2N708, den man kaum noch bei den Elektronik-Distributoren bekommt. Seine Schaltzeiten sind mit 40 bis 75 ns auch nicht gerade umwerfend niedrig. Ich verwendete ihn hier und auch sonst häufig, weil noch viele von diesen 2N708 an Lager sind. Warum nicht, wenn die Daten genügen. Alternativ gibt es z.B. den wesentlich schnelleren und moderneren 2N2369 den es auch als PN2369 im preisgünstigen TO92-Plastikgehäuse und in der SMD-Ausführung gibt. Die Schaltzeiten liegen zwischen 12 bis 18 ns. Wie diese Schaltzeiten zu verstehen sind, liest man in den beiden Datenblättern. Erhältlich ist der 2N2369 bei Farnell (Dez-2013).

Es gibt zwei Probleme mit denen man sich betreffs hoher Schaltgeschwindigkeit auseinandersetzen muss. Es ist der Sättigungseffekt, den es zu vermeiden gilt und es ist die Millerkapazität, die man kompensieren muss. Ob man überhaupt solche Transistorschaltungen einsetzen will, ist abhängig von der Anwendung. Gibt es eine solche Einheit nur einmal in einer Schaltung, kann sie sich eignen, sonst lohnt es sich nach passenden ICs Ausschau zu halten. Ein schneller Komparator kann durchaus zweckmässig sein oder eine passende Treiberschaltung, bei der es gleich mehrere Einheiten in einem Gehäuse gibt. Aber das ist hier nicht das Thema. Hier geht es um Grundlagen, die leicht in eine Transistorschaltung umsetzbar sind.

Warum nennt sich die URL powsw2.htm? Diese Überlegung ist berechtigt, weil man erkennt keine PowerSwitch-Anwendung. Es geht zurück auf den ersten Elektronik-Minikurs dieser Art Schalten und Steuern mit Transistoren I. In diesem Elektronik-Minikurs geht es grundsätzlich um das Schalten mit Transistoren und dies teilweise auch mit dem Schalten grösserer Leistungen. Es kommen Darlingtonschaltungen zum Einsatz und Transistorschaltungen mit Relais. Da ich nicht ausschliesse, dass sich dieser Trend in diesem Elektronik-Minikurs fortsetzt, z.B. mit dem Einsatz von Power-MOSFETs, habe ich mich für die selbe URL-Bezeichnung entschieden.



Schneller Schalter mit NPN-Transistor

Testaufbau-Tipps: Dieses Kapitel vermittelt eine relativ einfache Methode, die es auch dem Elektronikbastler ermöglicht, einen schnellen elektronischen Schalter mit einem bipolaren Transistor (siehe oben) zu realisieren. Schnell bedeutet hier Flankensteilheiten im unteren 10ns-Bereich. Noch schneller heisst, dass es mit einfachen Versuchsaufbauten nicht mehr möglich ist, weil zu sehr störende Effekte wegen parasitären Induktivitäten und Kapazitäten auftreten. Aber auch schon bei den hier gezeigten Anwendung, sollte man von einem üblichen Steckboardaufbau absehen. Empfehlenswert sind Labor-Leiterplatten mit Lötinseln auf der einen Seite und einem GND-Plane auf der andern Seite. Eine solche Leiterplatte gibt es von VERO-Technologies. Man gibt bei Produktsuche/Teilenummer 03-2989 ein. Errhältlich ist dieses Produkt zur Zeit (Dez-2013) auch beim Elektronik-Distributor RS-Online. Auch hier im Suchfenster ebenfalls 03-2989 eingeben. Diese Leiterplatte hat Lötinseln statt parallele Leiterbahnen (die man unterbrechen kann). Mit Lötinseln (auch Lötaugen genannt) und Verdrahtung mit dünnen Drähten erzeugt man niedrigere parasitäre Kapazitäten. Für höherfrequente Schaltungen oder solche mit steilen Schaltflanken sind Lötinseln die bessere Wahl. Um eine einigermassen niedrige GND-Impedanz zu erreichen, kann man für den GND-Pfad mit Lot und Draht zwischen den Inseln breitere GND-Zeilen bilden.

Der Millereffekt: Teilbild 1.1 zeigt die einfache Schalterfunktion mit den parasitären Kapazitäten beim Transistor T. Da gibt es die Kapazitäten zwischen Basis und Emitter Cbe, zwischen Basis und Kollektor Cbc und zwischen Kollektor und Emitter Cce. Betrachten wir zunächst den Eingang zwischen Ue und der Basis von T1, so erkennen wir zwei passive Tiefpassfilter, nämlich gegeben durch Rb mit Cbe und Rb mit Cbc. Die Wirkung von Rb mit Cbe können wir aus zwei Gründen vernachlässigen. Erstens, Cbe reagiert mit Rb nur in dem Bereich, wenn noch kein Basisstrom fliesst. Fliesst ein Basisstrom, dann ist der differenzielle Widerstand zwischen Basis und Emitter in aller Regel sehr viel kleiner als der Basisvorwiderstand Rb. Wie auch immer, man kann Cbe vollständig vergessen, weil nämlich Cbc mit Rb einen besonders wirksamen Tiefpasseffekt aufweist. Cbc wirkt als so genannte Millerkapazität. Diese Kapazität Cbc wird um die Spannungsverstärkung minus 1 wegen dem Millereffekt verstärkt. Dieser Effekt kommt dadurch zustande, dass an Cbc die (1+|A|)-fache Eingangsspannung von Ue auftritt. |A| ist der Betrag der Spannungsverstärkung. Wenn diese Verstärkung wesentlich grösser ist als 1, überwiegt die Multiplikation aus Verstärkung und Cbc.

   Cm ~ |A| * Cbc    (Cm = Millerkapazität)

Mehr zu diesem Effekt liest man im Wikipedia: Millereffekt.

Normalerweise spricht man von Verstärkung, wenn der Transistor als Verstärker im Einsatz ist. Hier arbeitet er jedoch als Schalter. Trotzdem findet eine Verstärkung statt während der steigenden und der fallenden Flanke. Teilbild 1.2 illustriert dies. Die Spannung an Rc multipliziert dem "ominösen" Wert von 40 ergibt die Verstärkung. Bei der halben Betriebsspannung, in diesem Beispiel 2.5 V, beträgt die Verstärkung 100. Ist T beinahe im geschalteten LOW-Pegel, also bei Uce = 1V und U_Rc = 4 V, beträgt die Verstärkung 160. Weil dies so ist, kann ein nicht gegengekoppelter Transistorverstärker nur nichtlinear verstärken. Verstärkt man allerdings nur sehr kleine Spannungsänderungen, maximal im unteren mV-Bereich an Ue, hält sich die Verzerrung am Ausgang Ua in Grenzen. So realisiert man billige Mikrofonverstärker.

Wie es mathematisch zu dieser Zahl 40 kommt, zeigt ein Weblink von der Uni Kiel auf der Seite Schaltungen mit Transistoren mit der Formelbeschreibung zur Wechselspannungsverstärkung.

Massnahme gegen den Millereffekt: Teilbild 1.3 zeigt die einfache und wirksame Massnahme mit Cb parallel zu Rb. Es geht darum die Millerkapazität zu neutralisieren. Wie aber berechnet man Cb? Im Prinzip in Verbindung mit der selben Formel (Cm~|A|*Cbc). Eine konkrete Formel für diesen Fall habe ich bisher nirgends gesehen. Und dazu kommt, auf praktisches Experimentieren kann man hier eh nicht verzichten. Man kann je nach Beschaltung von weniger als 10 pF bis einigen 100 pF ausgehen. Man muss es also mit einem Oszilloskopen ermitteln. Man erhöht Cb bis sich maximale Flankensteilheiten und gerade noch keine relevanten Überschwinger (Teilbild 1.3a) an den Flankenenden zeigen.

Der Nutzen des Millereffektes: Es gibt bekanntlich keine Nachteile ohne Vorteile. So auch hier. Man kann mit Hilfe des Millereffektes sehr langsam arbeitende Integratoren und Timer mit grossen Einschalt- oder Verzögerungszeiten in analoger Schaltungstechnik realisieren, weil man, entsprechend der Spannunsgverstärkung mit niedrigen Kapazitätswerten auskommt. Diese Verstärkung muss man allerdings mit einem Opamp exakt dimensionieren, um reproduzierbar akzeptable Werte zu erhalten. Timerschaltungen realisiert man schon lange besser digital, aber für Integratoren kann es durchaus Anwendungen geben, wo der Einsatz in analoger Form die richtige Wahl ist.

Der Sättigungseffekt: Der Millereffekt ist nicht das einzige Phänomen, der den Transistor langsamer macht als er sein könnte. Im Schaltbetrieb arbeitet der bipolare Transistor mit einer wesentlich niedrigen Stromverstärkung als im analogen Betrieb, wenn Spannungen verstärkt werden. Dieser relativ hohe Basisstrom erzeugt in der Basis eine hohe Anreicherung von Ladungsträgern. Man bezweckt damit eine besonders niedrige Kollektor-Emitter-Spannung Uce. Beim Abschalten des Basisstromes werden diese Ladungsträger, ohne Massnahmen, nur relativ langsam aus der Basis entfernt. Diese Massnahme kennen wir bereits. Es ist der Kondensator Cb parallel zu Rb in Teilbild 1.3. Cb unterstützt zwei Vorgänge: Cb sorgt für mehr Frequenz-Bandbreite und steilere Schaltflanken durch Neutralisation des Millereffektes und Cb sorgt für das schnellere Ausräumen der Ladungsträger aus der Basis. Dazu lese man zunächst das Kapitel "Schneller Transistor-Schalter mit Diode" im ELKO-Grundlagenkurs zur Schaltungstechnik Transistor als Schalter von Patrick Schnabel.

Sättigungs- und Millereffekt: Teilbild 2.1 wiederholt als dimensioniertes Beispiel, die soeben beobachtete Schaltung im ELKO-Grundlagenkurs. Der verwendete schnelle Transistor in Bild 2 ist der 2N708 (T1). Anstelle des BAT85 verwende ich für D1 die BAT43-Schottky-Diode. Für steilflankige Schaltvorgänge ist es oft nötig einen etwas höheren Kollektorstrom als sonst üblich, wegen den parasitären Kapazäten,einzusetzen. Es kommt daher auch sehr darauf an, dass die parastäre Kapazität (z.B. Leiterbahn) an Ua so niedrig wie möglich gehalten wird. D1 verhindert die Sättigung von T1. BAT85 oder BAT43 haben, weil Schottky, die fast gleiche Schwellenspannung. Bei einem Strom von 3 mA (Ie) sind es etwa 300 mV. Der LOW-Pegel an Ua (Uce von T1) ergibt sich aus der Basis-Emitter-Spannung von T1 minus der Spannung über der Schottky-Diode D1. Das sind etwa 0.5 V. Sperrt T1, fliesst kein Kollektorstrom. An Ua (Uce) liegt die Spannung von +Ub (+5 VDC). Der Ausgangswiderstand der Schaltung ist stark asymmetrisch. Bei LOW-Pegel ist er extrem niederohmig, weil T1 wie ein geschlossener Schalter wirkt. Bei HIGH-Pegel entspricht der Ausgangswiderstand dem Wert von R3.

Warum müssen es eigentlich Schottky-Dioden sein? Etwa weil sie schneller sind als "normale" Silizium Dioden? Bei der vorliegenden Anwendung kann man dies verneinen, weil z.B. die vermutlich bekannteste Kleinsignal-Diode der Welt, die 1N914 (1N4148) eine gleich kurze Recovery-Time von etwa 4 ns hat, wie die hier genannten Schottky-Dioden BAT85 und BAT43. Der einzige Grund für den Einsatz von Schottky-Dioden ist der, dass die Schwellenspannung signifikant niedriger ist als die einer "normalen" Siliziumdiode. Diese hat den fast selben Spannungswert wie die Basis-Emitter-Spannung eines Silizium-Transistors.

Alle drei Schaltungen in Bild 2 arbeiten als schneller Spannungsinverter. Dimensioniert ist er für eine Eingangs-3V-Logik (R1 = 1k) oder Eingangs-5V-Logik (R1 = 1k8). Auch TTL-Spannungswerte sind deshalb möglich.

Teilbild 2.2 zeigt eine weitere Verbesserung zur Reduktion der Sättigung mit einem zusätzlichen Widerstand R2 im T1-Basiskreis. Dieser bewirkt eine etwas höhere Kollektor-Emitter-Spannung im LOW-Zustand. Diesem eventuellen Nachteil steht der Vorteil einer höheren Geschwindigkeit bzw. steileren Schaltflanken gegenüber (noch geringere Sättigung). Anstelle von R2 kann man antiparallel auch zwei Schottky-Dioden (D2 und D3) schalten. Diese haben die selbe Wirkung, wie R2 mit 270 Ohm. Der Vorteil des Widerstand R2 ist die leichte Justierbarkeit des Kompromisses zwischen Flankensteilheit und minimaler Ua (Uce) bei LOW-Pegel. Ein Trimmpot eignet sich wegen der zusätzlichen parasitären Kapazität und Induktivität eher nicht. Man muss es ausprobieren.

Teilbild 2.3 ging aus meiner Unterstützung an einem Projekt eines Kollegen hervor, der mit einem schnellen Schalter aus einem 3V-Logiksignal ein 5V-Logiksignal verstärken und schalten wollte. Teilbild 2.3 berücksichtigt zusätzlich die Neutralisierung des Millereffektes durch C1, wie bereits in Zusammenhang mit Bild 1 beschrieben. C1 ist während der sehr kurzen Dauer der Schaltflanke sehr niederohmig und dies setzt voraus, dass die Taktquelle TQ dazu passend niederohmig (Ri) sein muss. Man stelle sich vor, die steigende und die fallende Flanke folgen ununterbrochen aufeinander, dann ist es ein dreieckähnliches Signal mit einer Frequenz von 25 MHz (1/40 ns). Der kapazitive Widerstand (Kapazitanz) von C1 beträgt dann etwa 270 Ohm. Das ist ein kleiner Bruchteil von R1. Dieser doch recht grosse Unterschied erlaubt deshalb nur eine Frequenz bis knapp 10 MHz ohne signifikante Impulsverzerrung. So etwa kann man dies mit einem typischen Messplatz-Taktgenerator mit einem ebenso typischen 50-Ohm-Ausgang (Ri) feststellen. Nur ist das nicht der praktische Anwendungsfall. Realistisch ist es, dass man eine solche Schaltung, wie Teilbild 2.3 zeigt, zwischen zwei Schaltungen einsetzt und da ist es wichtig darauf zu achten, dass die Taktquelle, die an Ue angeschlossen ist, wirklich niederohmig genug ist.

Da es eine 3-Volt-Logikschaltung sein kann, betrachten wir als Beispiel im Datenblatt des 74LV00 die "DC ELECTRICAL CHARACTERISTICS". Man stellt fest, dass bei einer Betriebsspannung von 3.3 VDC und Ausgangsströmen von -6 mA und 6 mA die typische Spannungsreduktion am Ausgang (V_OH) und der typische Spannungsanstieg (V_OL) etwa 0.2 V bzw. 0.25 V beträgt. Daraus errechnet sich ein Quellwiderstand von 33 Ohm bzw. 42 Ohm. Die Schaltung in Teilbild 2.3 müsste also problemlos funktionieren. Andere 3-Volt-Logikschaltkreise sollten die selben oder bessere Ausgangswerte haben. Zur zusätzlichen Verbesserung ist es allerdings erlaubt, zwei oder auch mehrere Treiber oder Gatter von CMOS-Logik-ICs parallel zu schalten.



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