Vom Fensterkomparator zum Präzisions-Schmitt-Trigger


Motivation und Einleitung

Ich stelle während einigen Jahren fest, dass u.a. im Forum des Elektronik-Kompendium immer wieder die selben Fragen betreffs Fensterkomparator und Präzisions-Schmitt-Trigger auftauchen. Ich antworte meist mit einem Hinweis auf die interne Schaltung des 555-Timer-IC. Ich erwähne dabei stets die CMOS-Version LMC555 und TLC555, weil die alte bipolare Version, z.B. NE555, überholt ist. Ich verweise auf einen ganz speziellen Elektronik-Minikurs zum Thema 555-Timer-IC und 230-VAC-Netzspannungs-Synchronisation. In dieser Schaltung dient der Fensterkomparator und das RS-Flipflop des LMC555 oder TL555 als Schmitt-Trigger. Ich weise zusätzlich darauf hin, dass man diese IC-interne Schaltung als Vorlage für einen eigenen Entwurf nutzen soll. Diese ständigen Wiederholungen solcher Fragen und Antworten motivierten mich diesen Elektronik-Minikurs zu schreiben und dabei erst noch zu zeigen, dass mit der Verwendung eines Quad-Opamp (Operationsverstärker = Opamp) oder Quad-Komparator (schnellere Anwendung) kein zusätzliches RS-Flipflop, benötigt wird. Man benötigt für den Präzisions-Schmitt-Trigger also nur gerade ein einziges IC.

Hier geht es um langsame Anwendungen, wie das Erfassen von quasistationären Signalen. Es sind elektrische Spannungungen, die z.B. von Temperatur-, Druck-, Feuchtigkeit- und andern physikalischen Sensoren erzeugt werden. Die Steuerungs- bzw. Regelmechanismen sind daher ebenfalls langsamer Natur. Deshalb kommen hier preiswerte Opamps und keine Komparatoren zum Einsatz. Favorit ist hier der tradionsreiche und berühmte Vierfach-Opamp LM324 von National-Semiconductor, von dem es aber auch einen kleineren Bruder, den LM358 mit nur zwei integrierten Opamps, gibt. Beide ICs sind elektrisch pro Opamp identisch. Diese beiden ICs sind auch sehr unproblematisch um mit den hier gezeigten Schaltungen zu experimentieren, unproblematisch z.B. bezüglich Schwingneigung. Ich hoffe, dass dieser Elektronik-Minikurs viele Fragen zu diesem Thema beantworten wird und den einen oder andern dazu anregt mit den Schaltungen zu experimentieren.



Opamps und Komparatoren, Unterschiede!

In diesem Kapitel betrachten wir ein wenig die Unterschiede zwischen Opamps und Komparatoren. Man kann für relativ langsame Vorgänge, also nicht allzu steile Flanken der Ausgangsspannungen, auch Opamps anstelle "echter" Komparatoren verwenden. Verwendet man sehr schnelle Opamps kann man durchaus auch steile Flanken erzeugen. Also ist es möglich solche Opamps durchaus auch für relativ schnelle Vorgänge in Komparatorschaltungen einzusetzen. Allerdings ist dies nicht besonders ökonomisch, weil sehr schnelle Opamps sind nicht gerade preiswert und es kommt dazu, dass man für Komparatoren weder die linearen Eigenschaften noch andere, speziell für Opamps, wichtige Daten benötigt, wenn am Ausgang nur ein Rechtecksignal erzeugt werden muss. Aus diesem Grund gibt es für diesen Zweck eben "echte" Komparatoren. Sie unterscheiden sich darin, dass die interne Schaltung in der Regel einfacher ist als die der Opamps und die Komparatoren haben keine interne Frequenzgangkompensation und ebenso keine Anschlüsse für eine externe. Wozu auch, eine Gegenkopplung wird eh nicht benötigt, denn die Verstärkung soll für die Komparatorfunktion immer möglichst sehr hoch sein. Wenn schon etwas zurückkoppeln, dann im Sinne einer Mitkopplung, und diese führt zur Funktion des Schmitt-Triggers.

Ein signifikanter Unterschied zwischen einem Opamp und einem Komparator ist die IC-interne Schaltung der integrierten Ausgangsstufe. Während der Opamp stets eine eine quasilineare Endstufe aufweist, haben viele Komparatoren nur einen bipolaren NPN-Transistor oder einen N-Kanal-MOSFET mit unbeschaltetem offenen Kollektor- bzw. offenen Drainanschluss. Dies ermöglicht die Wired-AND- oder Wired-OR-Verknüpfung mit andern Komparatorausgängen. Aus zwei Komparatoren, einer (passiven) logischen Verknüpfung von den beiden Ausgängen und einem Pullup-Widerstand kann man einen Fensterkomparator realisieren.



Der normale Fensterkomparator

Teilbild 1.1 zeigt die typische Grundschaltung des Fensterkomparators, bestehend aus zwei Einzelkomparatoren und einer logischen UND-Verknüpfung mit einem AND-Gate mit zwei Eingängen. Der nichtinvertierende Eingang von Ko1 Ut1 (t = trigger) erhält eine positive und der invertierende Eingang von Ko2 Ut2 eine negative Referenzspannung. Solche Referenzspannungen dürfen auch variabel sein, wie wir noch sehen werden. Es muss auch nicht sein, dass Ut1 positiv und Ut2 negativ ist. Die Schaltung funktioniert ebenso, wenn beide Referenzeingänge positiv oder beide negativ sind. Allerding muss Ut1 positiver sein als Ut2. Diese Betrachtungsweise gilt vor allem dann, wenn die Schaltung nicht symmetrisch mit zwei (±Ub) sondern mit nur einer Betriebsspannung (+Ub) arbeitet. Die Anschluss-Symbole mit dem Minuszeichen sind mit -Ub und GND angeschrieben, weil eben beide Betriebsarten möglich sind. Eine Betriebsspannung mit ±Ub nennt man Dual-Supply und eine mit nur +Ub Single-Supply. Diese Begriffe kommen ab hier zur Anwendung.

Die Funktionsweise illustriert das Diagramm in Teilbild 1.2. Wenn die Eingangsspannung Ue unterhalb von Ut2 oder oberhalb von Ut1 liegt, liegt Ua auf logischem LOW-Pegel. Das wären -Ub, falls die Schaltung mit ±Ub gespiesen wird und GND im Falle von +Ub und GND. Im Fensterbereich, also zwischen den beiden Referenzspannungen Ut1 und Ut2, liegt Ua auf HIGH-Pegel, weil dann beide Eingänge des AND-Gate auf HIGH liegen. Es ist im Sinne der positiven Logik eine UND-Verknüpfung. Im Sinne einer negativen Logik, wenn einem die Unterschreitung der negativen oder die Überschreitung des positiven Referenzspannung interessiert, ist es eine ODER-Verknüpfung. Ein Alarm wird ausgelöst, wenn der eine Grenzwert unter- oder der andere überschritten wird. Diese logische Beurteilung kommt also ganz auf die Anwendung an. Wer sich vertieft für logische Grundschaltungen betreffs boolscher Algebra (Schaltalgebra) interessiert, empfehle ich das Buch Halbleiter-Schaltungstechnik von U.Tietze und Ch. Schenk.



Ein exotischer Fensterkomparator

Zur Realisierung des Präzisions-Schmitt-Trigger, bestehend aus Fensterkomparator und einfachem Schmitt-Trigger, eignet sich das Diagramm und somit auch die Schaltung in Bild 1 nicht, denn wir wollen schliesslich einen einfachen kleinen Schmitt-Trigger so ansteuern, als wäre es ein RS-Flipflop. Der Unterschied zum echten RS-Flipflop ist, dass der Schmitt-Trigger nur einen Eingang hat, dieser aber mit einem positiven Impuls gesetzt (Set) und mit einem negativen Impuls zurückgesetzt (Reset) wird. Genau dies wird möglich, wenn man die Schaltung in Teilbild 1.1 so abändert, dass sie der Schaltung in Teilbild 2.1 entspricht:

Die Änderung besteht darin, dass die Eingangsspannung Ue von den beiden nichtinvertierenden Eingängen von Ko1 und Ko2 übernommen wird. Die beiden invertierenden Eingänge von Ko1 und Ko2 dienen der Spannungsreferenzen Ut1 und Ut2. Die logische Verknüpfung erfolgt nicht mehr mit einem aktiven AND-Gate, sondern ganz einfach passiv mit zwei Widerständen und wir wollen sehen was passiert und heben diese exotische Logik pointiert in Boldtext etwas hervor:

Diese logischen Zustände fasst die Tabelle Teilbild 2.2 zusammen und Teilbild 2.3 zeigt das selbe in einem Diagramm. Dabei fällt einem besonders leicht auf, dass es für Ua drei logische Zustände gibt, wobei der Fensterbereich - also wenn Ue zwischen Ut2 und Ut1 liegt - nicht bei LOW oder HIGH, sondern bei MEDIUM liegt. MEDIUM entspricht beinahe dem GND-Pegel (Dual-Supply-Modus) oder etwa dem Wert der halben Betriebsspannung +Ub/2 (Single-Supply-Modus). Dies erinnert uns an eine Tristate-Logik und es ist auch tatsächlich so, dass man anstelle nur diesen beiden gleich grossen Widerstände R eine aufwändigere aktive Tristate-Logik realisieren könnte. Aber wir wollen schliesslich nicht mit Kanonen auf Spatzen schiessen, wenn es nicht unbedingt nötig ist. Wenn aber jemand Lust auf eine Übung hat, dem steht es frei, dieses Schaltungsteil mit "echter" Tristate-Logik nachzuvollziehen... :-)

In diesem Kapitel liest man ständig von beinahe +Ub, beinahe +Ub/2, beinahe GND und beinahe -Ub. Dies kommt davon, dass wir hier den Quad-Opamp LM324 einsetzen. Die Opamps dieses IC können die positive Ausgangsspannung nur etwa +Ub-1.5V erreichen, während die negative Ausgangsspannung -Ub nur dann exakt -Ub erreichen kann, wenn Ua unbelastet ist. Ist sie in Richtung positiver Spannung belastet, ist der LOW-Pegel immer etwa 0.7 V positiver als -Ub (Dual-Supply) oder 0.7 V positiver als GND (Single-Supply). Auf die Summierung mit den beiden Widerstände R wirkt sich dies für den MEDIUM-Pegel ebenso aus. Wir werden sehen, dass dies jedoch kein Problem ist. Teure Rail-to-Rail-Opamps brauchen wir zur Lösung dieser Aufgabe nicht.



Auf dem Weg zum Präzisions-Schmitt-Trigger

In Bild 3 sehen wir auch schon (fast) die ganze Schaltung. Sie funktioniert, so wie sie sich hier zeigt. Fast, bedeutet, dass es noch einige Zusätze geben wird. Aber keine Sorge, diese Zusätze werden eine sinnvolle Aufgabe haben...

Wir bleiben noch ein wenig beim Fensterkomparator. Man sieht drei zusätzliche Widerstände R3, R4 und Rx. Was soll das? Im Dual-Supply-Modus (±Ub) braucht es nur einen zusätzlichen Widerstand, nämlich Rx, der etwa halb so gross sein muss wie R1 oder R2 (in Teilbild 2.1 ist es R). Im Single-Supply-Modus (+Ub) braucht es anstelle von Rx nach GND, R3 nach +Ub und R4 nach GND. Vollständigkeitshalber sei erwähnt, dass man auch im Dual-Supply-Modus anstelle von Rx nach GND, ebenfalls R3 und R4 einsetzen kann, wobei dann R4 nach -Ub geschaltet ist. Beim einfachen Schmitt-Trigger, realisiert mit Ko3, gibt es eine ähnliche Situation. Im Dual-Supply-Modus kann man den invertierenden Eingang von Ko3 direkt mit GND referenzieren oder man benutzt den Spannungsteiler R5/R6 zwischen +Ub und -Ub. Im Single-Supply-Modus braucht es diesen Spannungsteiler zwischen +Ub und GND, weil dieser dann +Ub/2 als Referenzspannung liefern muss.

Wozu aber braucht es R3 und R4 oder Rx? Man beachte dazu auch das mittlere Diagramm in Teilbild 3.2. Um sicher zu stellen, dass die Eingangsspannung an Ko3 nie zu hoch und nie zu niedrig sein kann, sind diese Widerstände zugeschaltet. Der Parallelwiderstandswert von R1 und R2 ist mit Rx oder mit dem Parallelwiderstandswert von R3 und R4 in Serie geschaltet und bildet so einen Spannungsteiler am Knoten von U3. Bei vorliegender Dimensionierung dieser Widerstände wird der Pegel U3 von HIGH zu HIGH/2 und von LOW zu LOW/2 halbiert. Im Dual-Supply-Modus ist das für HIGH/2 etwa +Ub/2, für MEDIUM etwa GND und für LOW/2 etwa -Ub/2. Im Single-Supply-Modus ist das für HIGH/2 etwa +Ub/4*3, für MEDIUM etwa +Ub/2 und für LOW/2 etwa +Ub/4. Das 'etwa' bedeutet auch hier, dass die Ausgangsspannung der Opamps oder Komparatoren den unteren und oberen Grenzwert der Betriebsspanng nicht erreichen kann.

Und jetzt zur ganzen Schaltung in Teilbild 3.1. Wir betrachten dazu auch das ganze Diagramm von Teilbild 3.2. Wir schalten die Betriebspannung der Schaltung ein und sie soll im Single-Supply-Modus arbeiten, also nur +Ub und GND haben. Der nachfolgende einfache Schmitt-Trigger mit Ko3 hat eine Hysterese Uh, gegeben durch R7 und R8. Das heisst, die obere und untere Triggerspannung, die Hysterese Uh des Ko3-Schmitt-Triggers, liegen etwa symmetrisch innerhalb des HIGH/2- und LOW/2-Pegels. Etwa, weil die Genauigkeit dieser Symmetrie ist etwas davon abhängig wie hoch die Pegelunterschiede zwischen LOW und HIGH bei den Ausgängen von Ko1 und Ko2 in Relation zu denen von Ko3 sind. Wenn die Ausgangsspannung von Ua, wegen einer Last, etwas zu niedrig wird, kann man die Hysterese Uh durch Erhöhen von R8 verkleinern, um die Triggerung sicher zu stellen.

Folgendes muss an dieser Stelle verstanden werden: Die relativen Werte von HIGH und LOW beziehen sich auf MEDIUM und dieser Wert entspricht ungefähr dem GND-Wert, wenn die Schaltung im Dual-Supply-Modus (±Ub) arbeitet. Arbeitet die Schaltung im Single-Supply-Modus, entspricht MEDIUM etwa +Ub/2. HIGH/2 ist die halbe Spannung zwischen MEDIUM und HIGH und HIGH/4 ist ein Viertel der Spannung zwischen MEDIUM und HIGH. LOW/2 ist die halbe Spannung zwischen MEDIUM und LOW und LOW/4 ist ein Viertel der Spannung zwischen MEDIUM und LOW.

Ue ist hier eine Dreieckspannung. Beim Einschalten hat Ue zufällig eine Spannung die oberhalb von Ut2 und unterhalb von Ut1 liegt. Der Logikpegel von U3 liegt also bei MEDIUM, was etwa +Ub/2 entspricht. Ua liegt nach einem solchen Einschalten mehr oder weniger zufällig auf LOW oder HIGH. Diesem Mistand werden wir mit einer Auto-Reset-Schaltung noch abhelfen, doch davon später. Wir nehmen jetzt einfach an, dass nach dem Einschalten Ua auf LOW liegt. Nun steigt an Ue die Dreieckspannung und übersteigt den oberen durch Ut1 definierten Grenzwert. U3 schaltet auf von MEDIUM auf HIGH/2, wobei beim Eingang des Ko3-Schmitt-Triggers der obere Triggerpegel HIGH/4 überschritten wird. Ua schaltet auf von LOW auf HIGH. Nach dem Erreichen des Spitzenwertes sinkt die Dreieckspannungspannung an Ue. Sie unterschreitet Ut1 und U3 geht zurück auf MEDIUM. Beim Unterschreiten des unteren durch Ut2 definierten Grenzwertes, schaltet U3 von MEDIUM auf LOW/2, wobei beim Eingang des Ko3-Schmitt-Triggers der untere Triggerpegel LOW/4 unterschritten wird. Ua schaltet von HIGH auf LOW. Danach beginnt das Ganze von Neuem.



Die Entstörung des Ko3-Schmitt-Triggers

In einem ganz andern Elektronik-Minikurs, wo es darum geht, mittels Taktgeneratoren oder Netzfrequenz als hochstabile Taktquelle und Frequenzteilern, lange Schaltzeiten zu realisieren, wird gezeigt wie man ein RS-Flipflop gegen unerwünschte Impulse entstören kann. Genaugenommen geht es darum, dass ein durch das 230-VAC-Netz über das Netzteil empfangener steilflankiger Impuls ein RS-Flipflop, das für die Impulsdauer verantwortlich ist, nicht in dem Sinne stört, dass der logische Pegel an seinem Ausgang zufällig falsch gesetzt wird. So etwas kann ausserordentlich verhängnisvoll sein, weil z.B. ein durch dieses RS-Flipflop gesteuerte Relais falsches tun kann, wie z.B. eine Beleuchtung ausschalten, obwohl sie noch weitere fünf Minuten leuchten müsste. Natürlich ist es wichtig, dass das Netzteil selbst so dimensioniert ist, dass möglichst keine Störungen in die Elektronik gelangen. Selbst dann kann man dieses Risiko nicht 100%ig ausschliessen. Es gibt aber eine sehr sichere Methode bei einem mit NAND- oder NOR-Gates realisierten RS-Flipflop zu verhindern, dass dieses durch Störimpulse gesetzt oder zurückgesetzt werden kann. Der Trick ist, dass man dieses RS-Flipflop künstlich verlangsamt und wie das gemacht wird, zeigt Teilbild 4.2:

Teilbild 4.2 zeigt ein ganz normales, mit zwei NOR-Gates realisiertes RS-Flipflop. Der Ausgang des einen NOR-Gate ist mit einem der Eingänge des andern NOR-Gate verbunden. Die beiden NOR-Gate sind kreuzgekoppelt. Allerdings hat es in der Verbindung des Ausganges Pin 3 zum Eingang Pin 6 ein eingefügtes passives RC-Tiefpassfilter aus R8 und C6. Dadurch verlangsamt sich an Pin 6 die Anstiegsgeschwindigkeit. Wenn als Folge einer Störung an Pin 3 ein sehr kurzzeitiger Impuls - ein Nadelimpuls - auftritt, kann das RS-Flipflop nicht schalten, weil durch die Integratorwirkung des R8C6-Gliedes, die Spannung an Pin 6 dem Impuls nicht folgen kann. Das bedeutet auch, dass am Set- (S) oder am Reset-Eingang (R) ein Impuls mindestens so lange andauern muss, dass das RS-Flipflop sicher umschalten kann. Die Zeitkonstante von R8C6 beträgt 10 µs. Das reicht für die Unterdrückung der Auswirkung von steilflankigen und kurzen Störimpulsen. Wenn man noch mehr Sicherheit will, kann man diese R8C6-Zeitkonstante erhöhen. Sie muss aber wesentlich kleiner sein, als die Impulszeiten der Impulse welche das RS-Flipflop setzen und zurücksetzen müssen.

Teilbild 4.1 (Ausschnitt aus Teilbild 3.1) ist der einfache Schmitt-Trigger mittels eines Opamp (oder eines "echten" Komparator). Teilbild 4.1 vereinigt sich mit Teilbild 4.2 zum Teilbild 4.3, das mit Hilfe von R8b und C, ebenfalls ein passives RC-Tiefpassfilter, die Entstörung des Ko3-Schmitt-Triggers zur Folge hat. Genau gleich wie beim RS-Flipflop, das aus kreuzweise mitgekoppelten NOR- oder NAND-Gates besteht, wird hier der Mitkopplungseffekt mittels RC-Integration verzögert. Sehr kurzzeitige Störimpulse, die sich am Ausgang bilden, können am nichtinvertierenden Eingang an Ko3 den oberen oder unteren Triggerpegel nicht über- bzw. unterschreiten.

Wann eignet sich diese Entstörmassnahme? Wenn die Schaltung in einem gestörten Umfeld sicher arbeiten muss. Natürlich ist in diesem Fall besonders darauf zu achten, dass die Schnittstellen (Netzteil, Datenkoppler, Relais, etc.) HF-Impulse ausreichend dämpfen. Die hier empfohlene sehr wirksame Methode für das RS-Flipflop und für den Schmitt-Trigger entstört nicht automatisch auch den Rest der Elektronik, die involviert ist. Da der Aufwand wegen nur gerade einem Widerstand und einem kleinen Keramikkondensator sehr gering ist, lohnt sich diese Zugabe für erhöhte Sicherheit meist.

Dieser simple aber wirksame Trick für die Entstörung mitgekoppelter Schaltsysteme, auf dessen Rückkopplungswege man Zugriff hat, habe ich noch nie in irgend einer Publikation oder Fachzeitschrift entdeckt. Das schliesst natürlich keineswegs aus, dass es dies nicht trotzdem gibt. Ich bin in den frühen 1970er-Jahren beim Entwurf von störanfälligen TTL-Flipflop-Schaltungen selbst auf diese elegante Methode gekommen. Ich habe sie häufig angewandt, wende sie bis heute in CMOS-Schaltungen an und sie erwies sich stets als sehr zuverlässig. Es sei an dieser Stelle kurz darauf hingewiesen, dass R8 bei TTL nicht mehr grösser 390 Ohm und bei LS-TTL nicht grösser als 1.5 k-Ohm, aus Gründen des Signal/Stör-Abstandes, sein sollte.

Teilbild 4.3 zeigt zusätzlich eine Auto-Reset-Schaltung. Wenn die Schaltung in Teilbild 3.1 eingeschaltet wird und die Spannung Ue liegt irgendwo innerhalb der beiden Triggerpegel Ut1 und Ut2, dann ist der logische Zustand von Ua zufällig. Jedoch nicht, wenn der Ko3-Schmitt-Trigger mit einer Auto-Reset-Funktion erweitert wird. Beim Einschalten von +Ub ist Cx1 entladen, die Spannung am Knoten Cx1/Rx2 liegt auf GND (Single-Supply-Modus). Dies zwingt und setzt Ua auf LOW (fast GND). Cx1 ladet sich über Rx2 und teilweise auch über Rx1 auf und wenn die Spannung am Knoten Cx1/Rx2 die augenblickliche Spannung (MEDIUM) am nichtinvertierenden Eingang, minus die Diodenflussspannung von Dx1, überschreitet, sperrt Dx1. Cx1 ladet sich nur noch über Rx2 weiter bis auf den Wert von +Ub und beeinflusst, wähernd die Schaltung im Betrieb ist, diese nicht mehr, weil Dx1 ständig sperrt. Wenn die gesamte Schaltung abgeschaltet wird, entlädt sich Cx1 sofort über Dx2 und Rx3 bis zum Wert der Diodenflussspannung von Dx2. Die restliche Entladung erfolgt danach langsamer über Rx2. Rx3 begrenzt den Entladestrom auf einen für Dx2 erträglichen Wert. Bei Wiedereinschaltung der gesamten Schaltung arbeitet die Auto-Reset-Funktion erneut mit einer Verzögerungsdauer von etwa 0.5 Sekunden. Mit der Wahl von Cx1 oder/und Rx2 lässt sich die Verzögerungszeit, bis zur Funktionsfreigabe des Präzisions-Schmitt-Triggers, verändern.



Trivialer Störtest mit Ministörsender

Will man es mit einer Entstörungsanalyse sehr seriös nehmen, ist das schnell eine komplexe und komplizierte Angelegenheit, denn wo will man denn hier überhaupt und mit welchen Vorwiderstanden Störimpulse so einkoppeln, dass die statischen und dynamischen Werte der Schaltung unbeeinflusst bleiben? So streng müssen wir es aber nicht nehmen, es gibt eine einfache und durchaus wirksame Methode. Man benötigt dazu einen Hochspannungsgenerator mit dem man kleine Funken erzeugen kann. Hat man dies nicht, geht's auch mit einem etwas verbastelten Gasfeuerzeug, wie dies Bild 5 in einfacher Form illustriert:

Ganz einfach geht das mit einem verbrauchten Gasfeuerzeug, das elektrische Hochspannungsfunken erzeugt. Wichtig ist, dass das Gasfeuerzeug restlos leer ist und so keine Flammen mehr erzeugen kann! Dieser Hochspannungsimpuls wird mechanisch mit einem kräftigen kurzen Schlag auf einen Piezo-Spannungsgeber erzeugt. Dies wird durch den Druck auf eine Taste ausgelöst, der nach dem selben Prinzip wie der mechanische Knackfrosch arbeitet. Dies war ein sehr beliebtes Spielzeug bei Kindern in den 1950-Jahren und im berühmten Kriegsfilm "Der längste Tag" hatte ein solcher Knackfrosch irrtümlicherweise den Tod eines Soldaten zur Folge, der das Symbol eines abgemachten Kodes mit den bekannten Knack-knack-Geräuschen mit dem Laden eines Gewehres eines feindlichen Soldaten verwechselte.

Diese Funken entstehen bei einer Spannung von einigen tausend Volt. Es gibt auch Piezo-Gasanzünder, die selbst kein brennbares Medium haben, die nach dem selben Prinzip arbeiten. Man kann auch so etwas verwenden. Die Verbindung mit einem kurzen Stück Draht zum Hochspannungsstift, der als Antenne wirkt, ist oft leichter bei einem solchen Piezo-Gasanzünder anzubringen, weil alles etwas grösser ist. Der Antennendraht bleibt von der Kontaktierung beim Gasanzünder oder Feuerzeug bis zum Drahtende hinaus isoliert. Dieses leere Stück Isolierschlauch von etwa 1 cm Länge am Drahtende füllt man mit etwas Sekundenkleber und presst dieses Isolierschlauchende mit einer kleinen Flachzange während etwa 30 Sekunden zusammen. Dadurch verhindert man, dass vom Drahtende ein "richtiger" Funken zu einem Teil der Elektronik (Knoten R7/R8) überspringen und die Elektronik zerstören kann, falls man zu nahe an der Schaltung ist. Beim Drücken auf die Taste des Gasanzünder oder des Feuerzeuges, springt der Funke über die Elektroden. Durch diesen Funken bricht schlagartig das elektrische Hochspannungsfeld zusammen. Dieser hochtransiente Vorgang überträgt sich kapazitiv von der kleinen Drahtantenne in der Nähe des Komparators Ko3 vor allem auf den nichtinvertierenden Eingang und schaltet den Ausgang Ua zwischen den beiden logischen Zuständen LOW und HIGH wild umher. Dies natürlich nur dann, wenn U3 (Bild 3) auf dem mittleren Pegel MEDIUM liegt. Ganz anders verhält sich die entstörte Schaltung in Teilbild 5.2, bei der der logische Zustand von Ua unbeeinflusst auf LOW oder HIGH bleibt.



Die vollständige Schaltung

Die Referenzspannung

Eingangsseitig ist die Schaltung mit zwei einstellbaren hochpräzisen Referenzspannungen für Ut1 und Ut2 ergänzt. Es gibt einen Elektronik-Minikurs der ausführlich Zenerdioden, Präzisions-Zenerdioden und hochpräzise Bandgap-Spannungsreferenzen thematisiert. An dieser Stelle soll bloss gezeigt werden, wie diese Spannungsreferenzen beim Präzisions-Schmitt-Trigger eingesetzt werden können. Verwenden wir für Z1 die Bandgap-Spannungsreferenz LM385-2.5 von National-Semiconductor, erzeugt diese eine präzise und temperaturstabile Spannung von 2.5 VDC. Der Betriebsstrombereich zwischen 20 µA und 1 mA (siehe Datenblatt) lässt einen grossen Bereich von R1, als Funktion von +Ub, zu. Da die Referenzspannung jeweils zum nichtinvertierenden Eingang der beiden Opamp führt, wird Uz nicht belastet, weil der Eingangswiderstand beim Opamp im Vergleich zum staatischen und dynamischen Innenwiderstand der Bandgap-Spannungsreferenz riesengross ist.

Als Berechnungsgrundlage für Ut1 und Ut2 gilt die Verstärkungsberechnung für die nichtinvertierende Verstärkerschaltung von Opamps:

   Ut1 = Uz * (((P1 + R11) / R12) + 1)
   Ut2 = Uz * (((P2 + R13) / R14) + 1)


Der zu P1 (P2) in Serie geschaltete R11 (R13) empfiehlt sich, wenn die niedrigst mögliche Referenzspannung Ut1 (Ut2) nicht eingestellt werden muss. Wenn nur ein Teil der Spannung Ut1 (Ut2) eingestellt werden muss, lohnt sich R11 (R13), weil wegen dem reduzierten Spannungsbereich die präzise Einstellung leichter ist. Man kann mit dieser Methode oft auf teurere Mehrgang-Potmeter verzichten. Wenn Ut1 (Ut2) niedriger sein muss als die Referenzspannung von Z1 Uz, muss zwischen Z1 und Opamp-Eingang einen passenden Spannungsteiler geschaltet werden. Dieser darf nur so niederohmig sein, dass der minimale Strom durch Z1 sicher nicht unterschritten wird (siehe Datenblatt).

Opamps haben bekanntlich DC-Offsetspannungen und DC-Offsetströme und dazu kommt, dass diese Werte von der Temperatur abhängig sind. Bleiben wird beim preiswerten LM324 bzw. LM358 und diagnostizieren, ob sich diese Opamps für die Verstärkung von Uz eignen. Die DC-Offsetspannung beträgt ±9 mVDC und der DC-Offsetstrom ±150 nA. Die Temperatstabilität liegt bei der DC-Offsetspannung bei typisch ±7 µV/K und beim DC-Offsetstrom typisch ±10 pA/K.

Betrachten wir die Angelegenheit mit der DC-Offsetspannung. Sie beträgt ±0.36 % der Referenzspannung von Z1 (LM385-2.5). Dieser prozentuale Anteil bleibt erhalten, wenn durch die Verstärkung Ut1 (Ut2) grösser ist als Uz. Da aber Ut1 (Ut2) am Potmeter P1 (P2) eingestellt (kalibriert) wird, spielt die absolute DC-Offsetspannung eine sehr untergeordnete Rolle. Die selbe Betrachtung gilt für den DC-Offsetstrom. Anders gilt es für den Temperaturdrift. Diese ±7 µV/K sind gerade ±2.8 ppm (parts per million) bezogen auf die Referenzspannung von 2.5 VDC am Eingang von IC:A1,A2. Bei einer Temperaturänderung von z.B. 30 K sind es knapp ±100 ppm oder 0.01 %.

Betrachten wir das Driftproblem beim DC-Offsetstrom und gehen das ganz praktisch an. Was bedeuten diese ±10 pA/K über einem Widerstand von 100 k-Ohm? Es bedeutet, dass die DC-Spannungsänderung, die aus diesem Stromdrift resultiert, ±1 µV/K beträgt. Das ist weniger als die Drift der DC-Offsetspannung von ±7 µV/K. Daraus schliessen wir, dass es sinnvoll ist, dass der Parallwiderstandswert von P1+R11 mit R12 (P2+R13 mit R14) nicht grösser als etwa 100 k-Ohm gewählt werden sollte. Es empfehlt sich eher weniger, weil je niederohmiger eine Schaltung ausgelegt werden kann, um so stabiler arbeitet sie generell. Natürlich gibt es auch nach unten Grenzen, wie die Belastung des Opampausgangs oder ein sparsamer Batteriebetrieb. R15 (R16) sind zur Funktion der Schaltung nicht nötig. R15 (R16) dient der zusätzlich geringeren Drift, wenn er einen Wert hat der dem Parallelwiderstandswert von P1+R11 mit R12 (P2+R13 mit R14) entspricht. Dies ist allerdings schwierig einzuhalten, da P1 (P2) variabel ist.

Bei all diesen Präzisionsüberlegungen dürfen wird nicht vergessen, dass auch die Widerstände ihre temperaturbedingten Drifts haben. Dass Metallfilmwiderstände und ebenso hochwertige Potmeter zum Einsatz kommen müssen, wenn solche Anforderungen gestellt werden, ist selbstverständlich. Zum Schluss zum Kapitel Referenzspannung. Wie steht es mit der Temperaturdrift der hochpräzisen Spannung von Z1, falls der LM385-2.5 zum Einsatz kommt? Diese beträgt je nach Version zwischen 30 und ±150 ppm/K bezogen auf die Referenzspannung von 2.5 VDC und das sind maximal ±0.375 mV/K. Das ist wesentlich mehr als die Auswirkung der DC-Offsetspannung des LM324 oder LM358 mit bloss ±0.007 mV/K.

Daraus lernen wir, dass es nichts bringt, wenn man am einen Ende die Präzision auf die Spitze treibt, während am anderen Ende eine höhere Toleranz wirkt, die das Verhalten des gesamten Systems bestimmt. R15 (R16) darf man getrost weglassen! Zurück zur Praxis: Der Schaltungsaufbau von Bild 6 mit der preiswerten Spannungsreferenz LM385-2.5 und mit dem altbewährten Opamp LM324 oder LM358 lassen sich sehr viele Anwendungen mit sehr guten Ergebnissen realisieren.


Der Rest der Schaltung

Es gibt noch Weniges dessen Erklärung noch fehlt. Es ist die Schaltung um IC:B4 des Quad-Opamp LM324. Während IC:B1-B3 als Komparatoren arbeiten, arbeitet IC:B4 als invertierender Verstärker mit einer Verstärkung von -1, gegeben durch R9 und R10. Dieser vierte Opamp des Quad-Opamp dient einzig der Invertierung von Ua nach /Ua. Das ist z.B. bei einer Heizungsregelung interessant. Wenn die Maximaltemperatur erreicht ist (Ut1), soll ein Relais ausschalten und wenn die Minimaltemperatur erreicht ist (Ut2) wieder einschalten. In diesem Fall ist die angedeutete Relais-Schaltstufe mit /Ua zu verbinden, ganz im Gegensatz wenn ein Kälteaggregat regelt, dann ist Ua richtig, falls Ut1 mit der Maximaltemperatur identisch ist. Dass zwischen Sensor und Ue u.U. eine PID-Schaltung, betreffs Regelungsvorganges mit einbezogen werden muss, ist nicht Gegenstand dieses Elektronik-Minikurses.

Die Relais-Schaltstufe und die Schaltung um die Referenzspannung ist nicht dimensioniert, weil dies sehr stark von der Anwendung abhängig ist. Dies bleibt dem Leser und Anwender überlassen. +Ub1 in der Relaisschaltstufe deutet darauf hin, dass für den Betrieb des Relais - auch ein Halbleiter-Relais mit Optokoppler und Triac ist möglich - eine andere Betriebsspannung als +Ub eingesetzt werden kann, jedoch nicht zwingend muss.

Zwischen Ue und dem Eingang des Fensterkomparators hat es ein passives RC-Tiefpassfilter aus R17 und C2. Dies ist eine Option, falls die Messleitung lang und evtl. nicht abgeschirmt ist. Sie soll die Einkopplung von mittel- und hochfrequenten Störsignalen vermeiden. Bei einer langen Leitung und auch aus beliebig andern Gründen, muss man sich überlegen, ob ein Risiko von Überspannungen besteht. In diesem Fall muss in den Eingangskreis von Ue eine Schutzschaltung eingebaut werden, und darüber liest man einiges im Elektronik-Minikurs Überspannungsschutz von empfindlichen Verstärkereingängen.